Rambo
war es ohrenbetäubend. Seine Fackel glimmte nur noch. Mit einemmal stand er auf einem Felsvorsprung, und tief unter ihm schäumte ein Strom durch ein Loch im Felsen, rauschte donnernd durch eine Rinne und verschwand wieder unter einer Felsklippe. Durch diese Öffnung war also die Luft entwichen.
Oder doch nicht. Das Wasser schäumte so hoch auf, daß von dort keine Luft entweichen konnte. Aber die Brise war unvermindert spürbar. Es mußte also noch eine Öffnung geben. Seine Fackel zischte und erlosch. Er stand im Dunkeln und versuchte, sich an die genaue Form des Felsvorsprungs zu erinnern. Er ließ sich auf Hände und Knie nieder, um nicht unversehens abzustürzen, und kroch auf ein Loch zu, das er gesehen hatte, bevor seine Fackel gänzlich erloschen war. Das Loch war so dicht am Boden, daß er auf dem Bauch kriechen mußte, um durchzukommen. Die scharfen Felskanten rissen ihm die Kleider auf und scheuerten an seinen Rippen, so daß er laut aufstöhnte.
Und dann begann er zu schreien. Nicht der Rippen wegen. Er war durch die Öffnung in eine Art Kammer gelangt, die hoch genug war, daß er den Kopf heben konnte. Er streckte den Arm aus, um sich vorwärts zu ziehen und faßte in dicken Schleim. Ein Stückchen feuchte Substanz klatschte ihm auf den Nacken. Etwas biß ihn in den Daumen, und ein winziges Geschöpf lief an seinem Arm hoch. Er lag in einer dicken Schleimschicht, die in wenigen Sekunden seine beiden Hemden durchweicht hatte und ihm am Bauch klebte. Über sich hörte er lautes Kreischen und das Flattern lederartiger Flügel. Herrgott im Himmel – Fledermäuse. Er lag in ihrer Scheiße, und auf ihm kletterte ein Dutzend Käfer herum. Die Aasfresser, die sich von Fledermausdung ernährten und kranke und tote Fledermäuse verspeisten, die von der Decke gefallen waren. Sie nagten an ihm und verbissen sich in seine Arme, während er sich wie verrückt rückwärts aus dem Loch heraus drängte. Er schlug wild um sich, sie abzuschütteln. Ein Drittel jeder Fledermauskolonie war tollwütig, das wußte er. Wenn sie aufwachten und ihn entdeckten, würden sie ihn zerbeißen. Hör auf zu schreien, sagte er sich. Du lockst sie nur an. Sie flatterten schon um ihn herum. Aber er konnte nicht aufhören zu schreien. Schreiend arbeitete er sich aus dem Loch heraus, bis er draußen auf dem Felsvorsprung stand. Er schüttelte die letzten Käfer ab und vergewisserte sich immer wieder, daß ihm keiner mehr anhaftete. Er spürte immer noch das Krabbeln der vielen Füße auf der Haut. Vielleicht krabbelten sie ihm nach, dachte er plötzlich. Er fuhr erschrocken zurück und rutschte mit einem Bein über die Felskante. Fast wäre er abgestürzt, und der Schreck warf ihn nach hinten gegen die Felswand. Mit hysterischer Hast wischte er den schleimigen Dreck am Gestein ab und versuchte ihn vom Hemd abzukratzen. Sein Hemd. Irgend etwas kroch auf seiner Haut unter dem Hemd. Er griff hinein und zerquetschte es. Eine feuchte, warme Masse lief ihm über die Finger. Angewidert schleuderte er das Zeug über die Felskante ins Wasser.
Fledermäuse! Was für ein Pestloch! Der widerliche Gestank steckte ihm noch im Hals. So war der Mann da unten wahrscheinlich umgekommen. Tollwut. Vielleicht war er, ohne es zu merken, gebissen worden, und die Tollwut hatte ihn zum Wahnsinn getrieben, bis er schließlich zusammengebrochen und gestorben war. Armes Schwein.
Quatsch. Was weißt du denn von ihm? Wenn er Tollwut gehabt hätte, hätte er sich vom Wasser ferngehalten. Du bildest dir das ein, weil du Angst hast, daß du selbst vielleicht so sterben wirst. Wenn sie dich nicht vorher auffressen.
Was ist denn das wieder für ein Blödsinn? Fledermäuse können einen nicht auffressen. Wenigstens nicht die Art, die wir hier haben.
Nein. Aber die Käfer.
Er zitterte noch immer, wenn er auch versuchte, sich zusammenzureißen. In der Kammer war ein starker Durchzug gewesen. Aber der Weg war ihm versperrt. Und den Weg zurück in den oberen Stollen konnte er nicht mehr finden. So sah es jetzt also aus: er saß fest.
Aber das wollte er nicht glauben. Er mußte seine Panik niederkämpfen und so tun, als ob es einen Weg gäbe. Wenn er sich an die Wand setzte und ruhig nachdachte, würde ihm vielleicht eine Möglichkeit einfallen, hier rauszukommen. Aber er wußte genau, es gab nur einen Fluchtweg: durch die Kammer, wo die Fledermäuse waren. Er leckte sich die Lippen und trank einen Schluck schales, lauwarmes Wasser aus der Feldflasche. Du weißt doch ganz
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