RAMSES 1 - Der Sohn des Lichts
Delta, den Oasen oder aus Griechenland stammten, aber ebensogern rühmte
er seine eigenen Erzeugnisse. Ramses suchte
sich ein ruhiges Eckchen, von wo aus er die Eingangstür überwachte .
»Was möchtest du?« fragte der Wirt.
»Im Augenblick noch nichts.«
»Unbekannte zahlen im voraus.«
Der Prinz hielt ihm ein Karneolarmband hin.
»Wird dir das genügen?«
Der Wirt beäugte das Stück.
»Das wird reichen. Wein oder Bier?«
»Dein bestes Bier.«
»Wieviel Schalen?«
»Das weiß ich noch nicht.«
»Ich bring schon mal den Krug… Sobald du’s weißt,
bekommst du die Schalen.«
Ramses stellte fest, daß er gar nicht wußte, was die
Dinge kosteten; der Kerl betrog ihn bestimmt. Es war höchste Zeit, daß er
rauskam aus seiner Palastschule, wo man viel zu abgeschirmt war von der
Außenwelt.
Der Prinz starrte auf die Tür, Wächter lag zu seinen
Füßen. Wer von den Mitschülern würde das Abenteuer wagen? Er wettete, sortierte
die Schwächlinge und die Karrieresüchtigen aus und beschränkte sich auf drei
Namen. Die drei würden vor der Gefahr nicht zurückscheuen.
Er lächelte, als Setaou über die Schwelle trat.
Setaou war der Sohn eines Seemanns und einer Nubierin,
untersetzt, männlich, ein Muskelprotz mit dunkler Haut, schwarzem Haar und
eckigem Schädel. Seine ungewöhnliche Ausdauer, aber auch seine Begabung für
Chemie und Pflanzenkunde hatten die Aufmerksamkeit seines Lehrers geweckt. Und
auch im Kap bedauerte man es nicht, ihm die Pforten zu höherer Bildung geöffnet
zu haben.
Der wenig redselige Setaou setzte sich neben Ramses.
Noch bevor die beiden Jungen miteinander reden
konnten, kam auch schon Ameni, klein, mager und schmächtig. Sein Teint war blaß
und sein Haar trotz seines jugendlichen Alters bereits schütter; bei den
sportlichen Übungen erwies er sich als unbeholfen, doch in der Kunst des Hieroglyphenschreibens
übertraf er alle seines Jahrgangs. Er war unermüdlich und fleißig, schlief
nachts nur drei oder vier Stunden und kannte die Schriften der Allen besser als
sein Lehrmeister. Sein Vater war Gipsarbeiter, dahergalt er als Held in der Familie.
»Ich hab es geschafft«, verkündete er stolz, »ich habe
einem derWächter mein Abendessen überlassen.«
Ihn hatte Ramses auch erwartet; er wußte, daß Setaou
notfalls seine Kraft und Ameni eine List anwenden würden.
Der dritte Ankömmling überraschte den Prinzen. Niemals
hätte er geglaubt, daß der reiche Acha solche Risiken eingehen würde. Kr war
der einzige Sohn einer wohlhabenden adeligen Familie, und der Aufenthalt im Kap
war für ihn eine Selbstverständlichkeit und eine Verpflichtung, eine Art
Übergang zu einer hohen Beamtenlaufbahn. Er war elegant, wußte sich zu bewegen,
hatte ein längliches Gesicht mit einem kleinen gepflegten Schnurrbart, und wenn
er andere anblickte, wirkte das häufig herablassend. Seine salbungsvolle Stimme
und seine vor Intelligenz funkelnden Augen schlugen seine Gesprächspartner in
den Bann.
Er setzte sich den dreien gegenüber.
»Erstaunt, Ramses?«
»Ja, das gebe ich zu.«
»Mit euch einen Abend lang mal über die Stränge zu
schlagen mißfällt mir nicht. Das Leben erschien mir ohnehin schon arg
eintönig.«
»Wir riskieren Strafen.«
»Das macht das Verbotene nur noch pikanter; sind wir
vollzählig?«
»Noch nicht.«
»Sollte dein bester Freund dich verraten haben?«
»Er wird kommen.«
Mit ironischem Blick ließ Acha das Bier einschenken…
Ramses rührte es nicht an. Unruhe und Enttäuschung schnürten ihm die Kehle zu.
Sollte er sich so gewaltig getäuscht haben?
»Da ist er ja!« rief Ameni.
Moses, groß, breitschultrig, mit üppigem Haar und
einem Bartkranz ums Kinn, wirkte viel älter als fünfzehn. Er war der Sohn
hebräischer Arbeiter, die seit mehreren Generationen in Ägypten ansässig waren,
und seit frühester Jugend genoß er aufgrund seiner erstaunlichen geistigen
Fähigkeiten die Erziehung im Kap. Da er körperlich ebenso stark war wie Ramses,
hatten die beiden Jungen bei allen Gelegenheiten ihre Kräfte gemessen, dann
aber einen Pakt geschlossen und vereint ihren Lehrern die Stirn geboten.
»Ein alter Wächter wollte mich hindern, das Gelände zu
verlassen. Da ich ihn nicht zusammenschlagen wollte, mußte ich ihn erst vom
Sinn und Zweck meines Vorhabens überzeugen.«
Man beglückwünschte sich gegenseitig, leerte eine
Schale Bier und weidete sich am unvergleichlichen Geschmack des Verbotenen.
»Beantworten wir die einzig wichtige Frage«, sagte
Ramses,
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