RAMSES 1 - Der Sohn des Lichts
im Schreibersitz auf
Matten hockten und ihm aufmerksam lauschten, legte er nochmals ausführlich den
Vorfall dar. Obwohl er ein kläglicher Redner war, vermochte Ameni seine Zuhörer
zu fesseln.
»Was sollen wir jetzt tun?« fragte einer der
Schreiber.
»Wir müssen die Dienststellen der Archive
durchforsten, die mir bisher nicht zugänglich waren. Es gibt zwangsläufig eine
Abschrift der Urkunde mit dem vollständigen Namen des Besitzers dieser
Werkstatt. Wer sie entdeckt, bewahre Schweigen und bringe sie unverzüglich zu
mir. Der Regent wird es ihm lohnen.«
So breitgefächert angelegt, konnten seine
Nachforschungen nur zum Erfolg führen, und sobald er den Beweis in Händen
hätte, würde er ihn Ramses vorlegen. Wäre diese Angelegenheit beigelegt, würde
er ihm zureden, nochmals nach dem Mann zu forschen, der den Wagenlenker und den
Stallknecht gedungen hatte. Kein Verbrecher durfte seiner Strafe entgehen.
Seit Ramses Regent war, gingen zahllose Ersuche und
bündelweise Briefe ein. Ameni schob allzu lästige Bittschriften beiseite und
beantwortete die anderen, die der Sohn des Sethos dann mit seinem Siegel
versah. Der Privatsekretär las jedes Schreiben, verfolgte jeden Vorgang, und
sollte er dabei auch noch seine letzten Kräfte verlieren, der Regent durfte
nicht Schaden nehmen durch unberechtigte Kritik.
Obwohl er erst achtzehn Jahre alt war, glich Acha
einem reifen Mann mit viel Erfahrung, der schon alles erlebt hatte. Er war von
ausgesuchter Eleganz, wechselte Hemd und Schurz jeden Tag, hielt auf
Körperpflege, war immer parfümiert und glatt rasiert. Da er der memphitischen
Mode folgte, verbarg er manchmal sein gewelltes Haar unter einer sündhaft
teuren Perücke und glättete seinen Oberlippenbart, bis jedes Haar tadellos lag.
Sein feingeschnittenes Gesicht zeugte vom Adel seiner Abstammung, auf die er
stolz war, denn es war eine lange Ahnenreihe hoher Beamter.
Der junge Mann fand einmütige Zustimmung. Die
Diplomaten waren des Lobes voll und wunderten sich, daß der Pharao ihm noch
nicht ein hohes Amt in einer der Gesandtschaften übertragen hatte. Acha, den
nichts verstimmen konnte, hatte keinerlei Beschwerde erhoben. Er kannte ja das
Gemunkel und wußte, daß seine Stunde kommen würde.
Dennoch überraschte ihn der Besuch des Regenten, und
er fühlte sich ertappt. Acha hätte ihn aufsuchen und sich vor Ramses verneigen
müssen.
»Entschuldige mich, Regent Ägyptens.«
»Was soll das, sind wir denn keine Freunde mehr?«
»Es wäre meine Pflicht gewesen…«
»Behagt dir deine Arbeit?«
»Wie man’s nimmt, dem seßhaften Leben kann ich keinen
Reiz abgewinnen.«
»Wohin möchtest du denn gern?«
»In die Ostländer. Dort entscheidet sich morgen das
Schicksal der Welt. Wenn Ägypten das nicht frühzeitig erfährt, droht ihm ein
böses Erwachen.«
»Scheint dir unser diplomatisches Vorgehen
unzureichend?«
»Soweit ich Einblick habe, muß ich das bejahen.«
»Was schlägst du vor?«
»Wir müssen häufiger vor Ort sein, uns um mehr
Verständnis für die Denkweise unserer Verbündeten wie auch unserer Feinde
bemühen, müssen ihre Stärken und ihre Schwächen abwägen, vor allem aber
aufhören, uns für unverletzlich zu halten.«
»Fürchtest du die Hethiter?«
»Über sie hört man so viel Widersprüchliches, doch wer
weiß wirklich, wie stark und wie schlagkräftig ihre Armee ist? Bis jetzt konnte
ein Zusammenstoß verhindert werden.«
»Bedauerst du das?«
»Natürlich nicht, aber du mußt doch zugeben, daß wir
im trüben fischen.«
»Bist du nicht glücklich in Memphis?«
»Eine wohlhabende Familie, ein angenehmes Haus, eine
erfreuliche Laufbahn und ein paar Geliebte. Ist das der Inbegriff von Glück?
Ich spreche mehrere Sprachen, auch des Hethitischen bin ich mächtig, warum soll
ich meine Gaben nicht nutzen?«
»Ich kann dir helfen.«
»Inwiefern willst du mir helfen?«
»Als Regent kann ich dem König deine Ernennung in eine
unserer Gesandtschaften in den Ostländern vorschlagen.«
»Das wäre ja wundervoll!«
»Du darfst dich nicht zu früh freuen, die Entscheidung
liegt bei Sethos.«
»Ich danke dir für dein Angebot.«
»Hoffen wir, daß es Wirklichkeit wird.«
Dolentes Geburtstag war Anlaß für einen Empfang, zu
dem die angesehensten Persönlichkeiten des Reiches geladen waren. Sethos nahm
seit seiner Krönung nicht mehr an derartigen Empfängen teil. Ramses überließ
Chenar die Festvorbereitungen und wollte sich vor dieser vornehmen
Abendgesellschaft eigentlich
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