RAMSES 1 - Der Sohn des Lichts
daß du es hörst, immer wieder
hörst.«
Iset war eine stürmische und zärtliche Geliebte.
Geschmeidig und leidenschaftlich, erfand sie ständig neue Spiele, um ihren
Geliebten zu entzücken.
»Ob du Regent oder Bauer bist, mich kümmert’s nicht!
Dich liebe ich, deine Kraft, deine Schönheit.«
Isets Aufrichtigkeit und Leidenschaft gefielen Ramses.
In ihren Augen war keine Spur von Heuchelei. Er erwiderte ihre Hingabe mit der
Glut seiner sechzehn Jahre, und im Einklang genossen sie ihre Lust.
»Verzichte«, schlug sie vor.
»Worauf?«
»Auf das Regentenamt, auf die Zukunft als Pharao.
Verzichte, Ramses, und lebe glücklich mit mir.«
»Als ich noch Kind war, wollte ich König werden.
Dieser Gedanke ließ mich fiebern und nicht mehr schlafen. Dann lehrte mich mein
Vater, wie unbedacht ein solcher Ehrgeiz war. Ich verzichtete, vergaß diesen
Wahn. Und nun ruft Sethos mich zu sich auf den Thron. Ein feuriger Sturzbach
reißt mich mit, und sein Ziel ist mir unbekannt.«
»Stürze dich nicht hinein, bleib am Ufer.«
»Bin ich denn frei in meiner Entscheidung?«
»Schenke mir dein Vertrauen, ich werde dir beistehen.«
»Wie immer du dich auch mühst, ich bin allein.«
Tränen liefen Iset über die Wangen.
»Ich weigere mich, ich will keine
Schicksalsergebenheit! Gemeinsam werden wir die Prüfungen leichter bestehen.«
»Ich werde meinen Vater nicht verraten.«
»Laß mich wenigstens nicht im Stich.«
Von Heirat wagte Iset, die Schöne, nicht mehr zu
sprechen. Wenn nötig, würde sie im Schatten verharren.
Unter Ramses’ belustigtem Blick betastete Setaou das
Diadem und den Uräus des Regenten.
»Fürchtest du diese Schlange etwa?«
»Gegen ihren Biß habe ich keine Arznei, gegen ihr Gift
gibt es keine Mittel.«
»Solltest auch du mir vom Amt des Regenten abraten?«
»Also bin ich nicht der einzige, der dieser Ansicht
ist?«
»Iset, die Schöne, wünscht sich ein ruhigeres Dasein.«
»Wer könnte es ihr verübeln?«
»Du, der Abenteurer, träumst plötzlich von einem
zurechtgestutzten und friedlichen Leben?«
»Der Weg, den du einschlägst, ist voller Gefahren.«
»Haben wir uns nicht vorgenommen, die wahre Macht zu
ergründen? Du setzt täglich dein Leben aufs Spiel. Warum sollte ich verzagter
sein?«
»Ich trotze nur Reptilien, du wirst gegen Menschen
antreten müssen, eine viel gefährlichere Art.«
»Wärest du bereit, mir zur Seite zu stehen?«
»Aha, der Regent bildet seine Gefolgschaft…«
»Ich vertraue dir und Ameni.«
»Moses nicht?«
»Er kennt seinen eigenen Weg, aber ich bin überzeugt,
ihn als Haumeister wiederzutreffen. Gemeinsam werden wir großartige Tempel
errichten.«
»Und Acha?«
»Ich werde mit ihm reden.«
»Dein Angebot ehrt mich, aber ich lehne es ab. Habe
ich dir schon gesagt, daß ich Lotos zur Gemahlin nehmen werde? Vor Frauen muß
man sich in acht nehmen, das gebe ich zu, aber Lotos ist eine wertvolle
Gehilfin. Ich wünsche dir Glück, Ramses.«
In knapp einem Monat hatte Chenar die Hälfte seiner
Freunde eingebüßt. Es war also noch nicht alles verloren. Er hatte befürchtet,
allein zu stehen, aber etliche Würdenträger glaubten trotz Sethos’ Entscheidung
nicht an Ramses’ Zukunft. Es könnte ja sein, daß beim Ableben des Pharaos der
Regent sich aus Trauer und mangelndem Selbstvertrauen zur Übergabe des Amtes in
erfahrenere Hände entschlösse.
War Chenar denn nicht Opfer einer Ungerechtigkeit
geworden? Ihn, den künftigen Nachfolger, hatte man ohne weitere Erklärung und
ohne Federlesen einfach zur Seite gedrängt. Wie hatte Ramses seinen Vater denn
dazu bringen können, wenn nicht durch Verleumdung seines älteren Bruders?
Chenar genoß es, als Opferlamm betrachtet zu werden.
Jetzt lag es an ihm, diesen unerwarteten Vorteil zu nutzen, zunehmend
beunruhigendere Gerüchte auszustreuen und, wenn Ramses sich vergaloppierte, als
sicherer Hort zu erscheinen. Dies alles einzufädeln würde Zeit brauchen, viel
Zeit, denn um Erfolg zu haben, mußte er auch die Pläne des Gegners kennen.
Daher bat Chenar um eine Audienz beim neuen Regenten, der in einem Trakt des
Königspalastes von Memphis in unmittelbarer Nähe des Pharaos residierte.
Doch zuerst war das Hindernis Ameni zu überwinden,
Ramses’ böser Geist. Wie konnte man ihn bloß bestechen? Er hielt nichts von
Frauen, auch nichts von Tafelfreuden, hockte ständig in seinem Arbeitszimmer
und schien keinen anderen Ehrgeiz zu haben, als Ramses zu dienen. Aber jeder Panzer
hatte einen wunden Punkt,
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