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Rangun

Rangun

Titel: Rangun Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Monson
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verzogen sich. »Das ist eine herrlich elegante Armut, Papa.«
    Er grinste. »Vielleicht sollten wir deine Tante Agatha zum Essen einladen.«
    Lysistrata dachte an Agatha, diese hochnäsige Witwe von der Beacon Street, die am Kopfende ihres Tisches thronte, der mit soviel Calla-Lilien geschmückt war, daß es für Lincolns Begräbnis gereicht hätte. Gnädigerweise waren sie und ihr Vater nur gelegentlich zu Familienessen eingeladen worden, um den Schein zu waren. Sie stellte sich vor, wie Agatha gefräßig gesalzenen Ngapi Fisch mit ihren Fingern von einem Blatt kratzte. Während sie giggelte, sah sie den enttäuschten Blick ihres Vaters, weil Ma Saw wieder in der Tür auftauchte. Nach dem Krieg hatte sie nicht oft gelacht, und manchmal gab er sich viel Mühe, sie dazu zu bringen.
    »Ja, Ma Saw?« fragte Herriott.
    »Dr. Lighter sendet Nachricht.« Sie reichte ihm ein gefaltetes Papier. »Er bedauert, Sie nicht sehen können.«
    Herriott überflog es. »Dr. Lighter sendet seine Grüße und bedauert, daß er das Krankenhaus nicht verlassen konnte, um uns zu begrüßen. Er wird das heute abend tun. Wir sind zum Essen eingeladen. Bei Sonnenuntergang wird uns ein Beförderungsmittel geschickt.« Erblickte auf. »Es scheint, als müßten wir heute abend ohne Tante Agatha auskommen.«
    Dr. Lighters bescheidener Bungalow, der an den großen, dreistöckigen Komplex des Queen Anne's Hospitals angrenzte, war nur ein kurzes Stück von dem neuen Wohnsitz der Herriotts entfernt. Der Mann war ein kleiner, stämmiger Ire mit einem Gesicht, das ebenso rot wie sein zerzauster Haarschopf war. Er war scharfsinnig. Während seine angeborene Beredsamkeit mit dem säuerlichen Tischwein zunahm, schenkte er Lysistrata flüchtige Aufmerksamkeit und quetschte Dr. Herriott unverfroren nach seinen Erfahrungen aus. Das Mahl war eine dürftige, schlecht zubereitete Auswahl von andeutungsweise europäischen Gerichten, die, wie Lysistrata vermutete, für Gaumen gedacht waren, die der einheimischen Küche gegenüber vorsichtig waren. Das Tischtuch war fadenscheinig, die Räume so armselig eingerichtet, wie die ihren in Amerika gewesen waren. Die Herriotts wechselten resignierte Blicke wegen des alten Obstes, das als Dessert serviert wurde. Wenn der Krankenhausleiter so bescheiden lebte, konnte man nur annehmen, daß er entweder schlecht bezahlt wurde oder ein Geizhals war, was nichts Gutes verhieß.
    Lysistrata fand, daß dies der geeignete Augenblick sei, dem Iren einen Vorschlag zu machen. Als er ihn hörte, reagierte Lighter so, als ob sie vorgeschlagen hätte, sie wollte nackt durch die Straßen reiten. »Sie? Krankenschwester? Wozu?« stieß er aus.
    »Ich bin ein aktiver Mensch, Dr. Lighter, und an Krankenhausarbeit gewöhnt. Ich habe ein Empfehlungsschreiben des Boston General Hospital, wo ich die letzten drei Jahre als Krankenschwester gearbeitet habe.«
    »Verzeihen Sie, Miß Herriott, ich bin sicher, daß Sie es gut meinen. Aber Medizin ist nun mal mehr, als Bettpfannen zu leeren«, erwiderte Lighter grob. »Ich habe genug Leute, die ein Katheter nicht von einer Spritze unterscheiden können.«
    »Ich werde sicher nicht an die falsche Seite eines Patienten mit einem Katheter herantreten, Dr. Lighter. Ich habe meinen Schwesternkurs fast abgeschlossen...«
    »Fast abgeschlossen.« Er warf ihr einen herablassenden Blick zu. »Ich will Ihnen ganz deutlich meine Meinung sagen. Ich sollte inzwischen reich genug sein, um mich zur Ruhe setzen zu können, wenn ich einen Hungerlohn von jeder gelangweilten evangelischen jungen Dame kassierte, die beeidet, >fast< Krankenschwester zu sein. Florence Nightingale und ihre ganze Gesellschaft sollten das Ende eines Märtyrers nehmen: wie der Heilige Laurentius über kleiner Flamme geröstet, in unseren Gebeten bedacht, und dann sollte man nie wieder von ihnen hören. Die Anhänger dieser Dame haben sich wie Heuschrecken auf den Medizinerberuf gestürzt. Ich hoffe, nie eine davon in meinem Krankenhaus zu sehen.« Er hob eine Hand, um ihren Protest abzuwehren. »Zugegebenermaßen haben Sie durch Ihren Dienst in Boston beträchtlich mehr Erfahrung als die meisten, aber Rangun ist der Osten, Miß Herriott, und Sie werden bald feststellen, daß er sich vom Westen völlig unterscheidet.« Er neigte seinen Kopf. »Manche Westler versuchen diese Tatsache zu ignorieren. Manche erwägen, sie zu verändern. Nur sehr wenige haben bei ersterem Erfolg gehabt und bei letzterem nur rein oberflächlich.«
    »Asiaten

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