Rangun
Ram Kachwaha, nimmst das Pfeilseil«, befahl der Boh. Ram wurde ein Pfeil gereicht, an dem ein aufgerolltes Seil hing.
Das Paar stand sich stumm gegenüber. Langeweile machte sich breit. Sooft Ram seinen Pfeil warf, wehrte der Hindu ihn mit seinem Lathi, seinem groben Stock ab. Das Scheitern seiner Angriffe gegen Ram schien ihn überhaupt nicht zu entmutigen. Mit tödlicher Geduld begann er Ram mürbe zu machen. Die unruhigen Piraten holten Zigarren und Reiswein. Halbherzige Wetten wurden geschlossen. Nur Boh und San zeigten Interesse an dem Kampf. Plötzlich ließ Ram absichtlich seine Waffe fallen. Augenblicklich schoß der Lathi zu seinem Hals. Auf seinen Gegner zugehend packte Ram den Stock und schleuderte den kleinen Mann durch die Arena. Als der Hindu auf den Boden schlug, traf der Lathi heftig seine Schläfe. Der Körper des Hindu mochte auf der Erde bleiben, aber sein Geist würde künftig bei den Göttern sein. »Hinaus mit ihm!« spuckte der Boh.
Erbost ließ Boh Ram gegen zwei weitere Männer antreten. Ram konzentrierte sich, denn seine Reaktionen wurden durch Müdigkeit langsamer. Obwohl er seine Gegner kampfunfähig machte, kam er nicht ungeschoren davon: Sein Körper war von Schnitten und Schrammen übersät, seine Wange war aufgeplatzt und ein Arm hatte von der Schulter bis zum Ellenbogen eine klaffende Wunde. Seine Kleidung war von Blut, Schweiß und Schmutz besudelt. Es war eine Zeitfrage, bis seine Gegner Glück haben würden, weil Boh Myin entschlossen schien, ihn bis zum Umfallen kämpfen zu lassen.
Schließlich stand er keuchend über dem letzten Piraten, den er Myin vor die Füße geschleudert hatte, und der Boh seufzte mit aufrichtigem Bedauern: »Du bist wirklich so gut wie immer, Ram. Ein Pech nur, daß wir keine Freunde sein konnten. Unglücklicherweise muß ich deinen Kopf haben, aber keine dieser Narren wird ihn nehmen.« Er warf einen finsteren Blick auf die Menge. »Du siehst ja, wie es ist.«
»Ram berührte seine Stirn. »Zu deinen Diensten.«
Boh Myin befahl: »Moung San.«
Ram blickte in Sans tödliche Augen, die ihn über eine Armbrust teilnahmslos ansahen. Eine Armbrust konnte die Haut eines Elefanten fast aus dreihundert Meter Entfernung durchschlagen. »Mach's dir bequem«, rief Boh Myin liebenswürdig. »Er ist zumindest ein guter Schütze.«
Als der Bogen sich senkte, hob Ram den Kopf, sein Rückgrat erwartungsvoll gespannt. In diesem Moment schleuderte ihn eine Explosion zu Boden. Er lachte leise, während er seinen Kopf vor herabstürzenden Trümmern schützte und die Schreie hörte. Als der Staub sich legte, grinste er Boh Myin an, der neben seinem vergoldeten Sessel kauerte. »Deine Briten scheinen ihre Haubitze repariert zu haben.«
»Unsere Briten!« fauchte Myin. »Vielleicht kannst du deinen Kopf noch retten.« Er sprang auf und rief seinen Männern Befehle zu. San war bereits verschwunden.
»Was soll ich tun?« fragte Ram gelassen.
»Tu, was du willst«, schnappte Myin, der Patronen in seine Taschen steckte. »Aber ich erwarte zwanzig Britenköpfe für deinen.« Er rannte aus der Pagode.
Ram sah sich das Magazin an.
Fünf Minuten später flog das Magazin mit ohrenbetäubender Explosion in die Luft. Boh Myin stieß auf der Palisade einen Bogenschützen an. »Das war keine Granate! Holt diesen Bastard! Und wenn er in Stücke gerissen ist, ich will ihn haben!«
Eine Granate traf die Teakpalisade und begrub Piraten unter sich. Boh Myin schwang sich an einem Balken zu Boden und sah, daß eine Abteilung britischer Truppen aus dem Dschungel auf die Lücke zustürmte. »Haltet sie auf!« brüllte er den versteckten Bogenschützen zu. Als Antwort darauf schrie der nächste auf und stürzte mit einer Kugel im Rücken aus seinem Baum. Der Schußrichtung nach zu urteilen, war die Kugel ebensowenig britisch wie die Explosion des Magazins. Ein weiterer Bogenschütze stürzte aus seinem Ansitz. »Du Dreckskerl, Kachwaha! Ich bring dich persönlich um!« brüllte Boh Myin.
Der Bogenschütze, der Ram gefolgt war, tauchte kurz hinter einer winzigen Pagode auf und fiel einen Moment später um. Boh Myin eilte mit gezogenem Dah von Deckung zu Deckung. Bis auf eine Blutspur war der Unterstand leer. Draußen, vor der Palisade, hörte er das britische Geschütz dröhnen.
Seine Zähne waren in freudlosem Grinsen entblößt. Vorsichtig folgte er der Blutspur und erreichte eine Pagodengruppe, die vom beißenden Rauch des explodierten Magazins umnebelt war. Er kroch durch das
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