Rangun
suchte nur einen bequemen Platz, um der Musik zu lauschen.« Auf sein spöttisches Lächeln hin wünschte sie sich, sie hätte ein geeigneteres Wort gewählt. Das Fenster des Billardzimmers war wohl kaum bequem zu nennen.
Er zuckte die Schultern. »Ihr Glück, daß Sie kein Chinesisch sprechen. Es wäre für Sie noch langweiliger gewesen. Wir Händler sind sehr trocken, wenn wir übers Geschäft sprechen.« Trocken siehst du nicht gerade aus, dachte Lysistrata. »Händler? Nennt man heutzutage Piraten so?« entgegnete sie böse.
Er lachte. »Jeder dritte Mann heute abend hier ist Pirat, wenn sie wählerisch sind.« Er reichte ihr seinen Arm. »Sind Sie wählerisch, Miß Herriott?«
Als sie seine Hand auf seinen Arm legte, war ihr antwortendes Grienen amüsiert. »Einer meiner Onkel war Pirat.«
Sie schlenderten an einer Hecke entlang, die zu der Akaziengruppe am Rand der Menge führte. »Und war Ihr Onkel der Quell des Vermögens Ihrer Familie?« lockte er.
Da sie glaubte, er würde über ihr schäbiges Kleid spotten, schoß sie zurück. »Offensichtlich nicht. Er wurde ohne einen Penny in Charleston gehängt.« Sie entzog sich ihm. »Sie brauchen mich nicht weiter zu begleiten. Ich finde schon den Weg.«
Als sie sich auf die Hecke zubewegte, sagte er schnell etwas auf chinesisch. Ihn ignorierend, begann sie fast zu rennen. Er folgte ihr und ergriff ihren Arm. »Auf dem Weg ist eine Russell-Viper, Miß Herriott.«
Sie erstarrte. »Wo?«
Er musterte den Boden. »Sie scheint fort zu sein.«
Sie atmete aus und hatte dann einen Verdacht. »Sie haben mich nur auf chinesisch gewarnt!«
Er verzog die Lippen. »Sie müssen mir verzeihen. Manchmal denke ich Chinesisch.«
»Sie haben mich geprüft!« zischte sie. »Man sollte Sie hängen!«
Er lachte. »Zweifellos!«
Ihre Augen verengten sich. »Ihr Privatgespräch muß sehr wichtig gewesen sein.«
»Nicht sehr«, erwiderte er ruhig. »Heimlichtuerei ist eine Gewohnheit im Osten.«
Sie stemmte ihre Hände in die Hüften. »Nun, ist Ihre Gewohnheit befriedigt?«
»Ich habe Sie nicht für eine Spionin gehalten, Miß Herriott. Eine gute hätte kein so rotes Gesicht bekommen.«
»Ich glaube, ich mag Sie nicht«, sagte sie kategorisch.
»Würden Sie mich mehr mögen, wenn ich Ihnen die Kehle durchschnitte?«
Ihr Sinn für Humor obsiegte. Sie hob eine Schulter. »Vielleicht.« Dann fügte sie hinzu: »Gewöhnlich treffe ich meine glücklichsten Entscheidungen beim Tanzen.«
Sein Lächeln wurde formell. »Ich bedaure. Meine Religion verbietet das Tanzen in der Öffentlichkeit, Miß Herriott.«
»Oh.« Die Verlegenheit, auf der Veranda erwischt worden zu sein, war nichts im Vergleich zu der, für eine Törin gehalten zu werden.
»Ich bedaure«, wiederholte er weich.
Ohne sich dessen bewußt zu sein, führte sie eine Hand an ihre flammende Wange und spürte deren Hitze. Rotes Gesicht, hatte er zu ihr gesagt. »Ich... ich muß wirklich meinen Vater suchen. Wollen Sie mich entschuldigen?« Ohne seine Antwort abzuwarten, floh sie.
Aus den Schatten der Bougainvillea hinter Harley trat eine schmächtige Gestalt. Eine Nadel, die an eine Hutnadel erinnerte, verschwand in Wa Sings smaragdgrünem Ärmel und dann bewegte sich sein Fächer wieder. Er beobachtete Lysistratas schwindende Gestalt. »Miß Herriott ist nicht der Spatz, der sie zu sein scheint. Sind Sie sicher, daß es klug ist, sie gehen zu lassen, mein Freund? Wäre sie im Teich ertrunken, hätte man den Unfall auf die Wirkung des Champagners zurückführen können. Niemand würde unter diesem prachtvollen Haar nach einem Nadelstich suchen.« Der Fächer bewegte sich, während Wa Sing Harley anschaute. »Man würde sie nicht sonderlich vermissen.«
»Was ihre Wichtigkeit anbelangt, haben Sie zweifellos recht. Ich denke, die stürmische Miß Herriott würde als Spion niemandem sehr nützen«, antwortete Harley weich. »Nur einen alten Mann würde ihr Verlust wahrscheinlich schmerzen.«
»Ein alter Mann kann schwerlich gegen ganz Birma aufgewogen werden.«
»Und wird es auch nicht, wenn es keinen erwiesenen Anlaß dafür gibt«, kam die ruhige Erwiderung. »Sollte ich mich in Miß Herriott irren, sorge ich rasch dafür, daß sie schweigt.«
Der Chinese verneigte sich wie ein Schilfrohr im Wind. »Ich verlasse mich auf Sie.« Sein träger Tonfall wurde leicht spöttisch. »Stimmt es, daß Sie mit einem Kuß töten können?«
Die schwarzen, undurchsichtigen Augen des Mischlings musterten ihn. »Sicher eine
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