Rangun
gestikulierten ihre Hände anmutige Symbolik, um ihrer Interpretation Farbe zu geben. Lysistrata, die Lady Pan-byus gertenschlanken Körper betrachtete, hielt sie für eine geübte Tänzerin.
Als Lady Pan-byu fertig war, wartete Lysistrata, bis die Gäste sich von ihr entfernt hatten. Viele Damen hatten sich gelangweilt, wollten sich aber nicht Lady Bartlys Mißfallen zuziehen, indem sie ihren Ehrengast kränkten. Lysistrata begrüßte die Adelige in einfachem, formellen Birmanisch, das Ma Saw sie für diese Gelegenheit auf ihre Bitte hin gelehrt hatte. Ma Saw tat das nur zu gern, da Lady Pan-byu in Birma sehr geachtet war, wie sie ihrer Mistreß erzählte. »Lady Pan-byu hatte viele Gedichte und Stücke zu Papier gebracht, die über Tausende von Jahren mündlich überliefert wurden. Jetzt können sie nicht mehr verändert werden oder verlorengehen.« Lady Pan-byu war überrascht und erfreut, in ihrer Muttersprache angeredet zu werden, da Abendländer sich selten die Mühe machten, sie zu erlernen. Ihre Antworten jedoch machten Lysistrata hilflos. »Na mah lay boo ... ich verstehe nicht«, gestand sie, und fügte hinzu, daß sie nur wenig Birmanisch könne, aber mehr zu lernen hoffe.
Lady Mary lächelte beifällig. »Das werden Sie, meine Liebe. Wir werden gemeinsam üben. Mein Hindi ist recht gut, aber mein Birmanisch kläglich. Anthony und ich sind erst seit zwei Jahren hier, müssen Sie wissen.«
Evelyn warf Lysistrata einen scharfen Blick zu. »Sie haben ein mittelmäßiges Gehör, Miß Herriott.« Sie wandte sich an Lady Pan-byu und sagte etwas schnell und fließend auf Birmanisch. »Meinen Sie nicht, Lady Pan-byu?«
»Miß Herriott wird gut lernen«, erwiderte die birmanische Dame.
»Evelyn ist die Expertin hier, Miß Herriott«, sagte Lady Mary. »Sie und Nigel sind seit '64 in Rangun stationiert. Sie hat mich unterrichtet. Sie hätten doch nichts dagegen, sich auch um Miß Herriott zu kümmern, Evelyn?«
Kalte Amethystenaugen musterten Lysistrata. »Ich wäre erfreut. Es wird viele Dinge geben, die Sie über Birma lernen wollen, Miß Herriott.«
»Ich bin sicher, Sie wären die ideale Lehrerin. Mrs. Chilton, aber Ma Saw, meine Haushälterin unterrichtet mich bereits.« Lysistrata neigte den Kopf. »Sie müssen gestehen, daß ihr Ohr perfekt ist.«
»Für den Dienerjargon vielleicht, aber wie Sie sprechen, liegt natürlich bei Ihnen. Zudem sind gesprochenes und geschriebenes Birmanisch völlig unterschiedlich.«
»Da ich nicht oft die Ehre habe, birmanischem Adel zu begegnen«, Lysistrata verbeugte sich leicht vor Lady Pan-byu, »habe ich nicht die Absicht, so intim wie Sie mit einheimischen Sitten zu werden.«
Lady Mary, die bemerkte, daß Säbel gewetzt wurden, hakte sich in die Arme der beiden Frauen ein. »Warum streiten wir nicht ein wenig über birmanische Dialekte? Lady Pan-byu wird der Schiedsrichter sein.« Entschlossen steuerte sie die Gruppe auf das Haus zu. »Sind die Dialekte in einem Land mit so geringen Klassenunterschieden wirklich derart unterschiedlich, Lady Pan-byu...?«
»Wollen Sie noch ein paar Augenblicke bleiben, Miß Herriott?« flüsterte Lady Mary eine Stunde später verschwörerisch, als sie ihre Gäste verabschiedete.
Verblüfft erwiderte Lysistrata: »Ja, natürlich, wenn Sie wollen.«
Evelyn wollte als letzte gehen. Als sie sah, daß Lysistrata blieb, zögerte sie betont, bis deutlich wurde, daß Lady Mary nicht beabsichtigte, sie zum Bleiben aufzufordern. Schließlich eilte sie die Veranda hinab zu ihrem Landauer.
»So.« Lady Mary nahm Lysistratas Hände in die ihren. »Ich möchte Ihnen einen Vorschlag machen. Ich will Ihnen etwas zeigen.« Sie führte sie zu einem Schlafzimmer hoch, in dem sie einen großen Kleiderschrank öffnete. Darin hingen unter Gaze Kleider mit Mottenkugelbeuteln. »Die Taille meiner Tochter Louise hat sich nach ihrem ersten Kind gedehnt. Zuerst wollte sie es nicht zugeben, tut's aber jetzt, wo das zweite unterwegs ist.« Sie zog pfirsichfarbene Seide heraus und hielt es an Lysistrata. »Das dachte ich mir. Sie haben fast die Größe. Ein wenig groß, aber man kann die Säume auslassen.« Sie wühlte in den Kleidern. »Ich werde sie Ihnen geben«, sie warf einen betonten Blick über die Schulter, »aber nur wenn Sie richtig umsäumen lassen. Zum Verpfuschen sind sie zu teuer.« »Lady Mary«, begann Lysistrata entschlossen. »Ich brauche keine...«
»Ruhig doch! Was tragen Sie unter diesem Staubfänger?«
Lysistrata zuckte zusammen.
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