Rangun
holen.«
Harry war überrascht und beeindruckt, als die beiden Kulis, die hinten und vorn auf Lighters Kutsche saßen, ihre Remington-Gewehre auf ihn richteten. Lysistrata erklärte ihnen, was nötig schien und Harry wurde mit dem Gewehr aufgefordert, ihr in die Kutsche zu helfen. »Nun, es scheint, als seien Sie hier sicher«, stellte er fröhlich fest, den Kopf durch das Kutschenfenster gesteckt.
»Welch ein Glück, daß sie Englisch verstehen«, erwiderte Lysistrata ironisch.
»Ist jetzt alles in Ordnung?« Er wurde ernst.
»Ja. Vielleicht kann ich eines Tages eine Erklärung für heute abend geben. Im Augenblick verstehe ich selbst noch nicht ganz, was passiert ist.« Sie berührte seine Hand. »Aber ich danke Ihnen, Harry. Sie sind ein wahrer Freund gewesen.«
»Danken Sie mir, indem Sie sich aus Schwierigkeiten heraushalten.« Er tippte auf ihre Nase.
KAPITEL 3
EinChamäleonspiel
... träumt von ihrer Schönheit mit zarter Furcht,
vom zierlich arabesken Spann ihrer Füße
zum Liebreiz, der funkelnd und hell, einem Pfauenschopf
gleich, ihr strahlendes Haupt ziert,
und sie weiß es nicht: Oh, wenn sie es wüßte,
um ihre Schönheit wüßte, sie wäre nur halb so schön
ALFRED, LORD TENNYSON
Lysistrata hätte viel darum gegeben, auf Lady Bartlys Tee in der kommenden Woche zu verzichten, da Evelyn Chilton sicher anwesend sein würde. Aber sie mußte sich der Frau stellen. Der Tag begann wie die anderen sonnig und Lysistrata legte ihren Serge mit besonderem Abscheu an, wohl wissend, daß Evelyn ihn nicht einmal als Leiche angezogen hätte.
Als sie in einem gemieteten Gharry durch das Viertel fuhr, gefiel ihr dessen Weitläufigkeit besser als erwartet. Das Gehetze der Stadt, der Geruch zu vieler Menschen waren verschwunden. Die zwischen Banyan- und Bambusdickichten geduckten europäischen Bungalows, die sich zur Prome Road erstreckten, waren einladend, ihre Teakbalken von Ranken und Palmen umrahmt. Auf breiten Veranden bereiteten barfüßige Diener den Tee vor und richteten gußeisernes Mobiliar. Unter schattigen Bäumen spielten Kinder derweil Krocket und Blindekuh. In einem sträucherumsäumten Gebäude stimmte ein alter, weißgekleideter Madresse eine Violine. Auf einem Rasen umstanden Rosen und Stiefmütterchen blühende Kakteen und Geranien. Auf einem anderen breiteten sich hellgelbe und orangene Ringelblumen. Zuhause ist, wo das Herz ist, dachte Lysistrata. Diese Menschen haben ihr Zuhause mitgebracht und es auf die Erde geschrieben. Aber ich frage mich, ob ihre Herzen sich woandershin sehnen.
Das meine nicht. Wie leicht es wäre, dieses Land zu lieben. Mit einem Gefühl von Frieden blickte sie die breite, sandige, palmengesäumte Straße hinab. In ihren tiefen Schatten trotteten indische und chinesische Arbeiter, winzige, sarigekleidete Inderinnen mit karmesinroten Blitzen von hennagefärbten Fingern und Zehen und hell gekleidete Birmanen mit kichernden Kindern. Gharries, mit Birmanen beladen, fuhren wie Schiffe vorbei. An den plumpen Ochsen in scharlachrotem Geschirr klingelten fröhlich Messingglöckchen. Wenn ich hierher nicht gehöre, dachte Lysistrata dabei, dann gehöre ich nirgendwohin.
Lysistrata hatte keine Komplexe, als der Fahrer zwischen den Einspännern und Landauern hielt, die an der Auffahrt des Regierungshauses parkten. Bei Tageslicht funkelten blühende Büsche auf hellgrünem Gras auf dem Anwesen, worin weiße Korbtische und Stühle standen. Doch es hatte seinen Mondlichtzauber verloren. Lysistrata hoffte, daß das Tageslicht auch einen Makel an Evelyn Chiltons Schönheit enthüllen würde. Aber Evelyn sah noch besser aus und drehte, in gelben Organza gekleidet, einen Spitzensonnenschirm über ihrem perfekten Ich. Lysistrata mit ihrem kecken, kleinen Fez, erwiderte das leicht spöttische Lächeln der Brünetten, als begrüße sie ihre beste Freundin.
In der letzten Woche hatte sie Zeit zum Nachdenken gehabt. Scheußlicher schwarzer Serge vermittelte Bescheidenheit. Auf dem Ball war sie aus dem Gleichgewicht gebracht worden, aber jetzt hatte sie Halt gefunden. Sollte Evelyn doch lächeln. Falls sie mehr versuchte, würde sie eine unschöne Überraschung erleben. Und Richard Harley ebenfalls.
Madame Pan-byus Rezitation der Glaspalast Chroniken war so, wie versprochen. Sie war eine schmächtige Frau, bis auf ein intensives Lächeln unscheinbar. Im Lauf ihrer Erzählung unter einem purpurn blühenden Padoukbaum, umgeben von Teetischen mit pastellfarben gekleideten Ladys,
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