Rangun
fuhr dann freundlich fort: »Wenn Sie an Miß Herriott interessiert sind, sollten Sie sie das vielleicht wissen lassen.«
»Schlagen Sie mir vor, Amor zu spielen?« fragte Harry scharf.
Harley lachte, als sei der Gedanke faszinierend. »Ich meine nur, Sie täten gut daran, Miß Herriott wissen zu lassen, daß sie einen Freund hat, wenn Sie das sein wollen.«
»Vielleicht sollte ich das«, gab Harry zurück.
Harleys Blick glitt über die Felder, als hätte er das Interesse an dem Gespräch verloren. »Die Sonne steigt höher. Wir können's gerade noch vor den anderen zurück schaffen, um einen Punch zu nehmen.«
Harry blickte zu dem Bambusstand. »Seltsam, daß wir keinen Schuß von Wilton gehört haben. Ich dachte, er müßte inzwischen zwei oder drei Vögel entdeckt haben.«
»Er braucht sicher noch etwas Zeit«, sagte Harley kurz.
Harley hatte recht. Als er und Harry einen Milchpunsch leerten und zu einem zweiten, üppigen Frühstück Platz nahmen, kamen die anderen Jäger zurück. Wilton traf gegen Mittag ein. Munter trat er zu den anderen. »Tja, meinen Teil habe ich. Ich wette, daß ich den Tagesrekord aufgestellt habe.«
Bettenheim nahm seine Füße vom Tisch. »Sehen wir doch mal. Fünf Pfund meines besten Tabaks für den besten Schützen.«
Als die Beutesäcke geleert wurden, war der Anblick übelkeiterregend. Schlaffe Massen blutigen Gefieders lagen mit glasigen Augen da. Im Schnitt hatte jeder Jäger neun Vögel erlegt, Wilton aber fast zwanzig. Die anderen Männer trugen ihn jubelnd auf den Schultern in den Salon.
Angewidert betrachtete Harry Wiltons Beute. »Ich hätte nicht gedacht, daß er so gut schießt.«
»Tut er nicht.« Harley nahm einen Fächer von der Wand, vertrieb die Fliegen und strich dann die Federn an einem der Hälse zurück. Ein hauchdünnes Blutband sickerte darunter. »Er hat den Shikkar Seidenschlingen legen lassen. Die wirken wie eine Garotte.« Er stieß mit dem Stiefel gegen den Vogel. »Die Kugeln kamen später.«
Harry runzelte die Stirn. »Wenn Sie das wußten, warum haben Sie nichts gesagt?«
»Bettenheim weiß das. Seine Arbeiter würden an kleinem Wild nicht mal Kugeln vergeuden, wenn sie sie hätten.« Harley hängte den Fächer wieder auf. »Wenn er will, daß seine Gäste sich zum Narren machen, dann sorgt er dafür.«
»Ja«, sagte Harry langsam. »Ich glaube, ich verstehe jetzt.«
Harley konnte keinen einfacheren Weg wählen, sich Feinde zu machen, als Wilton bloßzustellen. Die Europäer würden einem Halbblut nicht dafür danken, daß er sie auf ihren Mangel an Scharfsinn aufmerksam machte. »Bettenheim macht Geschäfte mit Wilton, nehme ich an?«
Harley lächelte rätselhaft. »Warum fragen Sie ihn nicht?«
Es zeigte sich, daß Harry kaum mehr mit seinem Gastgeber und Richard Harley sprechen konnte, da Bettenheim und Kumpanen Harley um Informationen über den Yünnan-PIan bestürmten, was immer das sein mochte.
In gewisser Hinsicht entsprach Harley Harry Armisteads Bitte, Lysistrata Herriott zu meiden, obwohl er nicht die Absicht gehabt hatte, sie wiederzusehen. Er war damit zufrieden, daß sie weder eine Spionin war noch schwätzte. Sicher würde sie nicht so töricht sein, ihren Vater in ihr Abenteuer beim Kommissar zu verwickeln. Masjids Dienste würden helfen, ihren verletzten Stolz zu heilen und ihr die Freiheit geben, die örtliche Gesellschaft zu erforschen. Wie ein Mädchen, das in Frauenkleidern eine Erwachsene spielte, hatte sie bei dem Pwe sehr attraktiv ausgesehen. Ihre Fassade würde unter Lady Marys Leitung bald perfektioniert werden. In der engen Welt des Quartiers würden ihre scharfe Intelligenz und ihr Mangel an Liebe bald zu Berechnung werden und der Mittelmäßigkeit weichen. Mit Bedauern erkannte er, daß die ungebundene, liebenswerte Lysistrata in ihrem schlichten Tamein verschwunden sein würde. Er brauchte nicht erst Harry Armisteads Warnung, um zu wissen, daß er sie aus seinen Gedanken verdrängen mußte. Eine Beziehung zu ihr konnte ihr nur Unglück bringen und seine kostbare, hart erarbeitete Position bei den Briten schwächen. Sie war zu naiv, zu impulsiv für eine Affäre, und mehr als eine Bettgeschichte kam für ihn nicht in Frage. Doch in ihrer Nähe zu sein und nicht mit ihr zu schlafen...
Als die Rani nach Singapur ablegte, war er an Bord.
Harry seinerseits traf sich mit Lysistrata zunächst aus Verpflichtung, dann, weil er ihre Gesellschaft der anderer Damen vorzog, die er kannte, und er kannte bereits mehrere
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