Rangun
warum spazieren Sie beide nicht zum Dalhousie Park? Ich treffe Sie dort, und Miß Herriott kann ihren Saft probieren, während ich Ihnen alles zeige.«
Lysistrata sah ihn an. »Sie haben keine Angst, daß ich berauscht werde und Sie in Verlegenheit bringe, Mr. Harley?«
»Nicht durch Palmwein, Miß Herriott.«
»Ist er so mild?« fragte sie etwas enttäuscht.
Harley lächelte sie rätselhaft an.
Der Dalhousie Park war bei Dämmerung nicht nur wegen seiner üppigen Gärten, sondern auch wegen der vielfältigen Menschen herrlich. Neben Europäern waren dort Birmanen mit Horden ausgelassener Kinder, einheimische Kindermädchen, die bravere führten und Inderinnen, die ihren Männern folgten. Eine britische Armeekapelle spielte leise >I Dream of ]eannie< in einem Pavillon. Aus dem Boat Club am anderen Ufer des Victoria Sees glitten Segelboote über das ferne goldene Spiegelbild der Shwe Dagon Pagode. Über allem trieben Papierdrachen, die in der stillen Dämmerung herum tanzten.
Die Herriotts schauten zu, wie ein alter birmanischer Herr seinem zweijährigen Enkel die Feinheiten des Drachenfliegens erklärte, als Harley zu ihnen kam. Wie ein unfugtreibender Pan reichte er Lysistrata einen billig wirkenden weißen Tonkrug. Nach einem Schluck von dem milchigweißen Wein drehte sie sich um und spuckte auf ein Blumenbeet. »Wie gräßlich! Das schmeckt ja wie Kreide! Wie kannst du das trinken, Papa?«
»Mein Geschmack ist eben anspruchsvoller. Schließlich«, Herriott zog spöttisch seinen Hut in die Stirn, »ist er in Bostons besten Etablissements kultiviert worden.«
»Meinen Sie«, er deutete auf die Drachen, »wir könnten das auch einmal probieren?«
Harley lachte. »Natürlich. Miß Herriott?«
»Nein, danke.« Sie hätte zu gerne einen Drachen fliegen lassen, wollte aber Harley keinen Grund zur Erheiterung geben.
Er ging zu einer Gruppe junger Birmanen und hielt nach ein paar Worten eine Rupie hoch. Die Kinder reichten ihm den schönsten Drachen und schossen mit ihrer Beute davon. Er übergab den Drachen Herriott, der seine Jacke ausgezogen und die Hemdsärmel aufgerollt hatte. Augenblicke später rannte der Doktor fröhlich durch den Park, verfolgt von seinem aufsteigenden Papier. Lysistrata schaute Harley grimmig an, entschlossen ihn zu treten, falls er ihren Vater albern fand. Er blickte mit einer Traurigkeit, fast einer Zärtlichkeit hinter dem Drachen her, der sie mehr als der Palmwein bestürzte. Obwohl dieser Eindruck schnell wie eine Illusion verflog, entwaffnete sie das mehr als sein unermüdlicher Charme. Nach dem Drachenfliegen erwies sich der Abend mit Harley als unerwartet angenehm. Als das Pwe zu Ende ging, hätte sie fast vergessen, wie unfreundlich er sein konnte.
Am nächsten Morgen wurde sie daran erinnert. Es pochte an der Tür. Auf der Schwelle stand ein Inder, genauer ein Pathan, von bedrohlicher Gestalt und mit noch bedrohlicherem Gesicht, umrahmt von einem gewaltigen Bart. »Ich bin Ali Masjid, Miß Herriott.« Er verneigte sich. »Ich bin Ihr Diener.«
Sie blinzelte. »Wie bitte?«
»Mr. Harley schickt mich«, sagte er kurz, als ob das alles erklärte.
Für Lysistrata erklärte das genug. Wenn Harley glaubte, einen Spion in ihren Haushalt schleusen zu können, hatte er sich geirrt. »Ich bedaure, Mr. Masjid, aber wir brauchen keinen weiteren Diener.« Vor allem keinen, der seine Anweisungen von einem anderen bekommt, dachte sie grimmig.
»Ihr Vater hat bereits eingewilligt«, sagte er ernst. »Hier sind meine Empfehlungsschreiben.«
Kochend las sie sie. Alle bestätigten, daß Ali Masjid hervorragend sei. Wahrscheinlich gefälscht. Sie gab ihm die Briefe zurück. Vor Masjids großen Füßen stand perfekt ausgerichtet ein Brüsseler Handkoffer. Der Pathan wollte bleiben. Aber nur für einen Tag, beschloß Lysistrata, und an diesem Tag würde er mehr arbeiten, als er an dreien verdiente. Sie krümmte den Finger. »Folgen Sie mir, Mr. Masjid.«
»Was hältst du von Masjid?« Sich bequem zurücklehnend, blickte Herriott beglückt auf seinen leeren Teller.
»Ich wollte mit dir über ihn sprechen, Papa.« Lysistrata stellte vorsichtig ihre Kaffeetasse ab.
»Ach ja?« Herriott klang überrascht. »Ist er nicht willig?«
»Das ist es nicht. Er arbeitet wie ein Elefant«, gab sie widerwillig zu, »aber, Papa, wir können ihn uns nicht leisten.«
»Doch, können wir.« Er lächelte wohlwollend. »Ich bekam heute eine Gehaltserhöhung.«
War Harley auch zu Lighters gegangen? Sie war
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