Rangun
sich langsam normalisierten.
Als die Sonne sich am nächsten Morgen als heiße, rote Kutgel über dem Dschungel hob, fühlte sich Lysistratas Schädel an, als ob diese Sonne darinsteckte. Sie ignorierte die Männer einfach. Friedlander ignorierte sie. Sie konzentrierte sich auf ihre Fingerspitzen, die sie von ihren geschwollenen, blasenbesetzten Füßen und ihrem hämmernden Kopf ablenkten. Mittags schmerzten ihre Fingerspitzen. Sie sackte zu Boden und hoffte, daß Kanaka sie wieder in den Fluß werfen würde.
»Lagert hier«, befahl Ram kurz. Während die Kundschafter ihre Bündel ablegten, blickte er mitleidlos auf sie hinab. »Wie geht's deinem Kopf, Molly-Mädchen?«
»Ist dir doch egal, also frag mich nicht.«
»Aber mich interessiert's. Nach dem Essen laufen wir noch fünfzehn Kilometer. Ob wir dich über die Strecke an den Absätzen schleifen müssen, ist eine Frage der Logistik. Gehört zu meinem Job.«
»Du genießt das«, beschuldigte sie ihn.
»Niemand genießt es, vierzig Kilometer in zwölf Stunden laufen zu müssen, vor allem im Gebirge bei fast vierzig Grad Hitze.«
»Warum treibst du dann alle so?«
»Weil die hübsche Alice letzte Nacht ins Wunderland marschiert ist. In ein Wunderland voller Krimineller aus sechs Ländern. Die meisten dieser Halunken würden dir für einen
Kyat die Kehle durchschneiden. Der einzige Grund, warum sie sich zurückgehalten haben ist, daß sie ihr Nest nicht beschmutzen wollen. Sie müßten sich ein anderes suchen, wenn sie Ärger bekommen.«
»Aber Lowton...?«
»Oh, der ist recht ehrlich.« Er lächelte knapp. »Und er ist nicht so dumm, wie er aussieht.«
Ihre Augen strahlten. »Du meinst, er könnte...?«
Er schüttelte den Kopf. »In sechs Monaten bekommt der keine zweimal eine Zeitung, und die Gesellschaft liefert nur Informationen, die den Profit betreffen.«
»Aber...«
»Bis der etwas vermutet, falls er etwas vermutet«, stellte Ram gelassen fest, »bist du außer Reichweite.«
Obwohl sie die nächsten beiden Tage hoffnungsvoll über die Schulter zurückblickte, mußte sie schließlich eingestehen, daß er recht hatte. Sie verstand jetzt auch, warum er die Ponys zurückgelassen hatte. Sie begegneten Leuten, die selbst Bergziegen schief angesehen hätten.
Die Berghänge wurden steiler, bis der mühsame Weg schließlich in Dickicht und blankem Fels verschwand. Vor den Hängebrücken, die Berghänge miteinander verbanden, graute ihr. Obwohl erschöpft, schlief sie wegen der zunehmenden Kälte schlecht, ganz zu schweigen von den Kakerlaken und Spinnen, die durch ihr Bettzeug krochen. Die Männer lächelten nur über ihre schrillen Schreie, als sie sich einmal unbeabsichtigt auf einem Ameisenhügel ausstreckte.
Sie waren weniger amüsiert, als sie sich entschieden weigerte, eine Schlucht zu überqueren, wobei sie mit Armen und Beinen an einem Seil hing und nur eine Schlinge um ihren Körper legen konnte. »Ich bin doch kein Affe!« protestierte sie. »Und nicht mal ein Affe könnte das Ding in einem Rock überqueren!«
»Das ist richtig«, überlegte Ram. »Dann wirst du den Rock wohl ausziehen müssen, falls du dich nicht an mich hängen willst.«
Sie stellte sich vor, wie sie sich an ihn klammerte und daß seine Kraft allein sie beide über die Schlucht befördern sollte.
Beides war nicht sehr verlockend. Sie streckte eine Hand aus. »Gib mir deinen Turban.«
Er hob eine Augenbraue. »Wozu?«
»Was glaubst du wohl?« schnappte sie. »Longyis werden nicht mit Höschen geliefert!«
Kochend ertrug sie das Grinsen der drei Männer, als Ram lässig den Turban aufwickelte und ihr ihn reichte. Sie ergriff ihn und verschwand im Gebüsch. Als sie wiederkam, nur mit kurzem Hemd und Lendentuch bekleidet, schwand das Grinsen. Die überlangen Beine, deretwegen Lysistrata in ihrer Kindheit verspottet worden war, waren kein Anlaß zum Lachen mehr. Sie waren einfach herrlich. Als Rams Gesicht sich verhärtete und die Kundschafter wie entzückte Eulen zu starren begannen, konzentrierte sie sich auf die Brücke, um ihr Unbehagen zu kaschieren. Sollten sie sich entschließen, sie zu vergewaltigen, konnte sie vergebens schreien soviel sie wollte. »Ich hoffe, du hast nichts dagegen, wenn ich zuerst gehe«, schlug sie vor. »Ich ziehe die Brücke der Gafferei vor.«
Ram lächelte sardonisch. »Nur zu. Ich lege keinen Wert darauf. Das Seil könnte brüchig sein.«
Sie erbleichte und wandte sich dann dem Seil zu. Zwanzig Meter tief gähnte der felsige Abgrund.
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