Rangun
sie erschreckt auf und ließ fast die Decke fallen. Aus der Nähe war das Hinterteil eines Elefanten ein schrecklicher Anblick. Schrill trompetend und schwanzschlagend, drehte der Elefant sich jäh um. Ihr Elefant. Lysistrata erstarrte. Die Augen der Kreatur waren jetzt wütend. Die großen Ohren schlugen, breiteten sich dann aus. Starr vor Furcht hielt sie die Decke wie einen Schild hoch.
Sie machte zögernd einen Schritt rückwärts, verging aber fast vor Furcht als der Elefant warnend trompetete.
»Beweg dich nicht, verdammt!« flüsterte Sam eindringlich hinter ihr.
Ein Knall schien die Blätter erzittern zu lassen. Die Decke fiel zu Boden, als der Elefant angriff. Betäubt vom Krachen von Rams Gewehr preßte Lysistrata die Augen zu, wurde dann von den Füßen gerissen und vom Weg ins Dickicht gestoßen. Einen Sekundenbruchteil später landete Ram wuchtig auf ihr und trieb ihr die Luft aus den Lungen. Der Boden erzitterte, als der Elefant an ihnen vorbeitrampelte. Sie lag starr unter Ram und hörte, wie sein Atem pfeifend entwich. Er bewegte sich nicht.
»Ist er weg?« flüsterte sie.
Er nickte an ihrem Hals.
»Dann geh runter.«
Er hob seinen Kopf. Seine Lippen verzogen sich. »Ah, jetzt, wo er weg ist, willst du mich nicht mehr.«
»Würdest du bitte... ich kann nicht atmen!«
Langsam verlagerte er sein Gewicht auf die Arme. »Nehm' ich dir wirklich den Atem?«
Sie stieß ihn schwach an. »Sei nicht so neunmalklug.«
Er spürte sie zittern. Ihre Furcht befriedigte ihn nicht. Er hatte das geglaubt, obwohl er wußte, daß sie jetzt mehr Angst vor der Männlichkeit hatte, die fest an ihren Bauch gepreßt war als vor dem Elefanten.
Sie funkelte ihn an. »Um Himmels willen, beweg dich! Er könnte zurückkommen.«
»Unwahrscheinlich«, erwiderte er trocken. Er kniete sich hin und starrte ins Unterholz.
Sie richtete sich auf und hüllte sich ängstlich in die Decke.
Er musterte sie. »Was hast du dir eigentlich dabei gedacht? Wolltest du einen Bullen reizen?«
»Du meinst die Decke? Ich... habe meine Gestalt verändert.«
»Du hast was?«
»Ich dachte, wenn der Elefant nicht weiß, was ich bin, könnte er Angst bekommen.«
Er betrachtete sie rätselhaft. »Da ein männliches Wesen jeder Spezies deine wirkliche Gestalt als Einladung betrachten dürfte, ist es unwahrscheinlich, daß er sie sofort vergißt.« Er neigte den Kopf. »Außerdem war er eine sie.«
Nach drei Stunden anstrengender Suche hatten sie den Ausreißer wieder eingefangen. Da Ram nicht wußte, wie er auf Lysistrata reagieren würde, wechselte er die Tiere mit den Kundschaftern. »Rauf«, befahl er ihr kurz. Sie sah den Elefanten an, dann die müden, schwitzenden Gesichter der Männer. Sie stieg auf.
Zwei Tage später tauschten sie die Elefanten gegen struppige Ponys, und Lysistrata lernte völlig neue Muskeln kennen. Während sie tiefer in die Shan-Berge zogen, ritt Friedlander als Kundschafter voraus, während Kanaka hinten sicherte. Oben, hinter Hsipaw, waren die Bäume fast schon kahl und das Unterholz unter den Hufen der Ponys trocken wie Zunder. Sie sprangen und stolperten auf Wegen, die über unmögliche Stellen führten. Lysistrata setzte sich schließlich dem Beispiel der Männer folgend schräg aufs Pferd, um ihre Beine am Berghang nicht aufzureißen. Sie klammerte sich an den Sattel und starrte zwischen ihren Zehen auf die Baumspitzen hinab, die kilometerweit unter ihr ragten und spürte, wie ihr Herz jedesmal zum Halse schlug, wenn die rutschenden Hufe des Ponys einen Kieselschauer in die Leere schleuderten. Friedlander tröstete sie: »Das dauert nur noch bis heute abend. Wir werden die Ponys in einem Minencamp am Nan-tu Fluß tauschen.«
»Gegen was?« erwiderte sie grimmig. »Gegen Bergziegen?«
Er grinste. »Leider nicht. Ab Sonnenaufgang laufen wir.«
»Oh, welche Freude.«
Trotz ihres Tonfalls war sie erregt. Ein Minencamp bedeutete Zivilisation und eine Chance zu fliehen.
Aber Flucht war nicht so einfach, denn als sie am späten Nachmittag das Camp erreichten, wurde sie mit Friedlander zurückgelassen, während Ram und Kanaka die Ponys eintauschten. Friedlander deutete ihre Unruhe falsch. »Bei mir sind Sie sicher, Lady«, versicherte er ihr. »Ich hätte die Ponys ja weggebracht, aber Boß weiß, daß ich dann ein paar Drinks nehme und mich prügle.«
Sie seufzte. »Das mit den Drinks ist zu schade. Ich könnte auch einen gebrauchen. War ein anstrengender Ritt.« Als er entsetzt dreinschaute, lachte sie.
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