Rasant und Unwiderstehlich
hier jemals zufällig vorbei. Auf einem der unteren Regale hatte ein rühriger Schüler begonnen, eine kleine Privatsammlung anzulegen, zu der zerfledderte Exemplare von Lady Chatterley , Lolita oder auch die Henry-Miller-Trilogie Sexus, Nexus und Plexus gehörten. Und natürlich gab es die Playboy -Ausgabe mit den Nacktfotos von Madonna, die jemand aus dem Waverly-Jahrgang 1985 unter ein entlegenes Regalbrett geklebt hatte.
Callie entdeckte Easy in einer der drei Arbeitsnischen, deren Sitzplätze mit kratzigem, orange kariertem Wollstoff bezogen waren. Eigentlich waren die Nischen dazu gedacht, die Schüler zum Teamwork zu ermutigen, aber meistens fand hier nur traute Zweisamkeit statt.
»Hey.« Easys tiefblaue Augen leuchteten auf, als er sie sah. Er warf Wendekreis des Krebses, eindeutig ein Exemplar aus der kleinen Sammlung des rührigen Schülers, beiseite. In seinem schwarzen T-Shirt, der zerrissenen Levi’s und mit den dunklen Locken, die ihm in die Stirn hingen, sah er einfach zum Anbeißen aus.
Callie ließ ihre schwarze Saddlebag von Pierre Hardy auf den Boden plumpsen, warf sich auf den Platz neben ihm und fiel über ihn her.
»Uff!« Easy stieß sich das Knie an der Tischkante. Er grinste verhalten, im Mundwinkel noch ein Restchen Zahnpasta. Callie leckte ihren Finger an und rieb sie fort. »Danke, Mami«, näselte er, und Callie gab ihm einen leichten Klaps auf die Schulter. Sie rückte von ihm ab und ließ die Finger über sein Bein gleiten. Seine Knie, die unter dem superweichen Jeansstoff so knubbelig und jungenhaft hervortraten, gefielen ihr zu gut. Und sie konnte den Blick nicht von seinen schönen blauen Augen losreißen, die sie so sehr an das Meer erinnerten. Nicht an das leuchtende türkisfarbene Meer der Karibik, in dem alle so gerne tauchten, sondern an das dunkle Meer weit draußen im Atlantik, dessen Tiefe man nicht mal erahnen konnte.
Easy beugte sich vor und küsste sie auf den Mund. Der Kuss begann süß und sanft und wurde dann immer leidenschaftlicher, bis sie sich mühsam voneinander losreißen mussten. Sie sahen sich an, und beide wussten, was der andere dachte.
»Soll ich, äh, Lolita auf den Bücherwagen an der Tür legen?«, fragte Easy leise und meinte damit das einschlägige Zeichen dafür, dass die Staxxx »besetzt« war. Sein Kentucky-Akzent wurde ausgeprägter, je angetörnter er wurde, und in diesem Moment war kaum mehr eine Spur davon zu hören, dass er die letzten zweieinhalb Jahre an einem feinen Ostküsteninternat verbracht hatte. Er ließ den Finger über den Bund ihrer Röhrenjeans von Habitual gleiten und streifte beiläufig ihren Rücken. Callie spürte ihren Magen wegsacken wie in dem Hochgeschwindigkeits-Fahrstuhl, der sie zu den Büroräumen ihres Vaters im obersten Stock des Bankof-America-Wolkenkratzers im Zentrum von Atlanta brachte.
»Und wenn wir erwischt werden?«, fragte sie, allerdings nicht übermäßig besorgt. Morgens war die Bibliothek wie ausgestorben, und außerdem waren alle viel zu sehr mit der Brandstifter-Sache beschäftigt, um überhaupt an eine Lern-Session zu denken. Sie schlüpfte aus ihrem auberginefarbenen TSE-Cardigan und ein dünnes weißes Top von Anthropologie kam zum Vorschein.
»Na und?«, erwiderte Easy achselzuckend. »Ist vielleicht unsere letzte Chance. Wir sollten jede Gelegenheit nutzen.« Er hatte es als Scherz gemeint, aber kaum waren die Worte heraus, merkte er, wie sich sein Magen zusammenzog. Seit der E-Mail war er ein Nervenbündel und in der vergangenen Nacht hatte er kaum geschlafen. Er hatte in Waverly schon viele Male in Schwierigkeiten gesteckt, und obwohl er wusste, dass man das Feuerzeug von dem jüngeren Julian gefunden hatte, wurde er irgendwie das Gefühl nicht los, dass Marymounts anklägerische E-Mail an ihn gerichtet gewesen war, an ihn allein. Es würde ihn nicht überraschen, wenn er noch diese Woche von Waverly flog, sein Vater ihn enterbte, und er in einer Besserungsanstalt landete. Dabei ging es ihm gar nicht so sehr um ihn selbst, sondern um Callie. Was würde sie machen, wenn er flog? Und was würde er machen, wenn sie flog?
»Sei nicht albern.« Callie schüttelte energisch den blonden Schopf. »Wir bleiben in Waverly.«
Easy legte die Hand an Callies Nacken. Er liebte es, ihre nackte, weiche Haut zu berühren. »Sollte nur ein Witz sein, aber … he, Baby, Marymount ist entschlossen, jemanden rauszuwerfen. Und wir waren in der Scheune. Wir sind wahrscheinlich seine Verdächtigen Nummer
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