Rashminder Allerlei (German Edition)
seine Reflexe sehr schnell. Varel schien blind für diese kleinen Manöver. Er trat einen Schritt auf Amisha zu und wies auf seinen nahezu kahlen Schädel.
„Sieh mich an! Er hatte mich verflucht, als es ihm nicht gelang, mich zu bändigen!“
„Ja, das hat er. Was sonst hätte er tun sollen? Varel, du hattest Kräfte zur Verfügung, die dir gottgleiche Macht gegeben hätten, du hattest, wenn auch unabsichtlich, deine gesamte Familie ermordet und du hattest versucht, meinen Vater umzubringen. Sollte er das geschehen lassen?“
„Nein! Ich war sechs Jahre alt, ein dummes kleines Kind. Es war richtig, dass er mich abgewehrt hatte. Dass er mir anschließend mittels eines Fluches jeden Zugang zur Magie versperrt hat, nun, das war grausam, aber verständlich. Zu versuchen, mich mit Nahrungs- und Schlafentzug sowie reichlich Prügel gefügig zu machen, das war pure Folter.“
Varel blickte Kaiden herausfordernd an. Es war schwer, sich diesem Blick zu stellen. Kaiden hatte dasselbe durchlitten, allerdings mit zwei entscheidenden Unterschieden: Er war doppelt so alt wie Varel gewesen und Torgen war gezwungen gewesen, ihn selbst dann zu bestrafen, wenn er eigentlich lieber Nachsicht geübt hätte.
„Na los, zeig es ihnen! Zeig es allen, was unser Meister mir angetan hat!“
Diesmal packte Varel ihn am Handgelenk und presste Kaidens Hand gegen seine Stirn. Dieser Übergriff wäre ihm beinahe zum Verhängnis geworden – nahezu alle Anwesenden mussten sich hart zusammenreißen, um darauf nicht zu reagieren, Kaiden eingeschlossen.
Es brauchte einen längeren Moment, bis er fähig war, sich zu konzentrieren und Varels Vergangenheit erneut in eine für alle wahrnehmbare Vision zu wandeln.
Jahrelang hatte Varel die Beschränkungen hingenommen. Hatte sich brav und gelehrsam gegeben, um Torgen keinen Grund zu geben, ihn zu bestrafen. Mehrmals täglich durfte er unter strikter Aufsicht den Magiebann ablegen, um seine Fähigkeiten auszubilden. Der Fluch, dass Varel überhaupt keinen Zugang zur Magie hatte, war selbstverständlich aufgehoben worden, allerdings hatte Torgen dafür einen anderen Fluch über ihn verhängt: Varel konnte nur noch Magie der fünften Nanchra wirken. Ungestraft durfte er bloß bis zur ersten Nanchra aktiv werden, sobald er stärkere Zauber versuchte, brachte das starke Schmerzen mit sich. Wenn er es wirklich wollte, könnte er auch das gesamte Potential seiner Macht ausschöpfen, doch jeder Versuch, über die fünfte Nanchra hinauszugehen, würde tagelange Ohnmachtsanfälle nach sich ziehen und ihn schleichend vergiften.
Duldsam hatte Varel auf seine Chance gewartet. Er wusste, dass er niemals vor den Gildenrat treten und als ausgebildeter Magier auf ein selbstbestimmtes, freies Leben hoffen durfte. Torgen hatte sehr deutlich gemacht, dass er die Beschränkungen niemals aufheben würde. Aber der Alte konnte ihm nicht ewig den Magiebann aufzwingen!
Zwanzig Jahre zählte er inzwischen. Torgen hatte Schwierigkeiten mit einem Magier namens Naxander, einem Mann, der große Faszination auf Varel ausübte. Seinen Hass hielt Varel sorgsam versteckt. Nach außen hin gab er sich sanft, respektvoll, gehorsam und fleißig. Und so kam endlich der Tag, an dem Torgen ihm den Bann abnahm und gestattete, dass er das Haus ohne Aufsicht verlassen dürfe. Varel war allerdings noch nicht über die Schwelle getreten, als die Stimme seines Meisters ihn aufhielt:
„Ich weiß, du wirst nicht zurückkehren. Ich weiß, dass du alles das, was ich dich lehrte, zu niederen Zwecken nutzen wirst. Doch ich habe dich nicht gerettet, um dich für den Rest deines Lebens wie ein wildes Tier einzusperren und ich kann und will nicht so sehr in das Schicksal eingreifen, dass ich dein Handeln beeinflusse. Ich könnte dir deine Magie nehmen, ich könnte dafür sorgen, dass jeder Schaden, den du planst, sich ins Gegenteil verkehrt. Oder aber mit dreifacher Wirkung auf dich zurückschlägt. Dieses Recht habe ich nicht. Die Pflicht, die Welt vor dir zu beschützen habe ich hingegen schon. Darum höre meinen Fluch: Alles Böse, was du mit voller Absicht tust, wird dir Unglück und auf lange Sicht den Tod bringen. Es bleibt deine Entscheidung, ob du Leben in Einsamkeit und Dunkelheit wählst, bei dem du alles tust, wonach dir der Sinn steht. Oder ob du lernen willst, Gesetz und Recht und die Grundregeln der Menschlichkeit anzuerkennen und dementsprechend zu handeln.“
Varel fuhr zu ihm herum. Er hatte lange Zeit Kraft gesammelt und war
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