Rashminder Allerlei (German Edition)
unmöglich macht, Magie anzuwenden, sofern sie nicht zum Nutzen anderer ist. Anderen Schaden zufügen ist mir nur dann gegeben, wenn dadurch größerer Nutzen zu erzielen ist. Mein Vater hatte Angst davor, was jemand mit gottgleicher Macht mit dieser Welt anstellen würde … Und er hatte Recht.“
„Aus diesem Grund habe ich die Beschränkung gut geheißen“, erwiderte Kaiden kopfschüttelnd. „Die Kräfte, die ich entwickelt hatte, nachdem ich mich von allen Flüchen befreien konnte, waren beängstigend!“
„Diese Kraft brauchst du jetzt aber!“
Amisha wühlte in der Tasche ihrer blütenweißen Schürze, die sie zu der strengen Tracht der Hauswirtschafterin am Königshof trug und förderte eine kleine Kupfermünze zutage.
„Du wirst reichen“, murmelte sie und schloss die Augen. Kaiden spürte ihre Energien, als sie das Geldstück in ein Artefakt verwandelte. Dann ergriff sie seine Hand und zwang ihm die Münze auf.
„Wähle ein Wort, mit dem du das Artefakt aktivieren willst. Sprich es nicht laut aus, es sollte genügen, wenn du daran denkst. Wähle etwas, was ungewöhnlich ist, um versehentliche Aktivierung zu vermeiden.“
„So was wie ‚Knuddeldiekatz“, murmelte Natt mit einem schiefen Grinsen, das Kaiden mit einer Grimmasse erwiderte.
‚Allerleivonzweibisdrei’, dachte er. Sofort durchfuhren ihn warme Magieströme: Die Blockade seine Kräfte war aufgehoben.
„Ich kann dich nicht mit einem Fluch belegen, Kaiden. Ich vertraue dir, dass du selbst dafür sorgen wirst, die Blockade erneut herzustellen. Du musst dafür dein geheimes Wort in Gedanken rückwärts sprechen. Bei Bedarf kannst du das jederzeit wiederholen … Aber wie gesagt, es obliegt deiner eigenen Verantwortung. Zwar könnte ich Gegenstände verfluchen, doch nicht in das Schicksal eingreifen, wie mein Vater es konnte.“
Er nickte verständig. Der Begriff ‚Fluchmagie’ war streng genommen falsch. Es sollte eher ‚Wandelmagie’ genannt werden, so subtil, wie es in den Lauf der Welt eingriff und Schicksale ganzer Völker wandelte.
Ein wenig überfordert von all der Kraft, die nun ungehemmt in ihm pulsierte, brauchte Kaiden einen Moment, um sich zu konzentrieren. Es half, das Eryk sich hinter ihn stellte und ihm sanft über das Gesicht strich. Durch diese Berührung waren sie einander nah. Die Gedanken seines Liebsten brachten ihn zur Ruhe, sodass er sich innerlich wieder Varel zuwenden konnte. Er wusste sofort, wie er weiter vorzugehen hatte.
Pergament und Kohlestift erschienen vor ihm, gerufen von seiner Magie. Mit geschlossenen Augen zeichnete er das Haus und den Standort der einzelnen Fluchgegenstände ein.
„Holt ihn“, sagte er schlicht zu Natt und Cael.
Zögernd nahm Natt das Pergament an sich und zischte erschrocken, als ihn das Wissen überfiel, wo sich das Haus genau befand.
Eine Viertelstunde verging, in der Kaiden ruhelos umhermarschierte. Seine Haare knisterten, er war überflutet von angestauter Magie.
Als Natt und Cael zurückkehrten, mit Varel in der Mitte, der sich weder widersetzte noch eine einzige Gefühlsregung zeigte, atmete er erleichtert auf.
Varel hingegen erstarrte, als er Kaiden erblickte.
„Du?“, flüsterte er entsetzt. Kreidebleich, sodass die blaue Tätowierung auf seiner Wange regelrecht leuchtete, versuchte er sich aus dem Klammergriff seiner Wächter zu befreien, doch die ließen ihn nicht entkommen.
„Das ist unmöglich! Mein Fluch wurde erfüllt, das weiß ich genau, also musst du tot sein!“
„Das war ich.“ Kaiden schritt langsam auf ihn zu. „Ich war tot und wurde ins Leben zurückgerufen. Meine Freunde haben mich nicht im Stich gelassen.“
Varel verkrampfte sich, ein dunkler Schatten legte sich über seine grünlichen Augen.
„Freunde!“ Er spuckte das Wort mit tödlicher Verachtung heraus. „Freund, Verbündete, Familie – alles dasselbe Pack. Du magst Glück gehabt haben, Kaiden. Für dieses Mal. Vertraue nicht darauf, dass deine Freunde immer zu dir stehen werden. Dass du niemals erleben musst, wie sie dich verraten, wie ihre Freundschaft und Liebe zu dir erkaltet, wie sie fortgehen, krank werden, sterben … Nur dir selbst kannst du bedingungslos vertrauen!“
Kaiden spürte unerwünschtes Mitgefühl in sich aufsteigen. Dieser Mann war von seiner Familie in ein Fass gesteckt und zum Sterben ins Meer geworfen worden, als sie seine magischen Fähigkeiten entdeckt hatten. Da war Varel noch keine sechs Jahre alt gewesen. Wie wäre sein Leben wohl verlaufen,
Weitere Kostenlose Bücher