Rasputins Tochter
Einzige war, der Rasputins Heim erfolgreich unterwandern konnte.
K APITEL 6
Ja spala kak ubitaja - Ich schlief wie tot.
Teilweise aus Niedergeschlagenheit, teilweise, weil ich erschöpft war, stand ich vor Mittag nicht auf. Und als ich endlich aufstand, war das Erste, was mir in den Kopf kam, eine Frage, die ich keiner Seele stellen, geschweige denn beantworten konnte: Warum war Sascha ein zweites Mal geflohen? Sofort kam mir eine bessere Frage in den Sinn: Warum hatte ich ihn eigentlich in unsere Wohnung gelassen?
Als ich zur Küche ging, fand ich Dunja über das Blut, das an unserer Haustür, ebenso rund um die Spüle, verschmiert war, verwirrt. Offensichtlich hatte ich nicht genug geputzt, um ihre gründlichen Augen zu täuschen.
Indem ich Dunja zum ersten Mal anlog, sagte ich: „Als ich letzte Nacht nach Hause kam, kauerte einer der Bittsteller von Papa an der Tür. Er blutete schlimm, und das Beste, was ich tun konnte, war ihn zu waschen und ihn seiner Wege zu schicken.“
„ Oi “, murmelte Dunja mit einem Kopfschütteln. „Werden die Leute deinen Vater nie in Ruhe lassen? Der arme Mann, er kam nicht vor zehn Uhr morgens nach Hause. Ich hoffe nur, dass er bis zur Abendessenszeit schläft … oder bis morgen!“
O Papa, dachte ich, als ich mich abwandte. Ich machte mehrere Schritte zum Esszimmer, blieb dann stehen. Ich hasste diese Tage der Gerüchte und Andeutungen, der Spione, des Krieges und Todes. Wie würde alles enden: im Sieg, in der Niederlage oder wie so viel flüsterten, in Revolution? Ich stand dort und zitterte. Eines Tages würde der Krieg vorüber sein, aber was war dann mit mir? Ehe - mit wem? Kinder - wie viele? Und was ist mit Sascha? Würde ich ihn je wiedersehen? Würde ich je seine Geheimnisse verstehen?
Plötzlich fühlte ich die Arme einer Frau, sanft und freundlich, die mich umfassten.
„Nanu, Kind, was ist los?“, fragte Dunja. „Du weinst.“
Ich wirbelte herum und klammerte mich an Dunja, vergrub mein Gesicht in ihrer tiefen, weichen Brust. Wenn ich ihr nur über Sascha erzählen hätte können.
„Ich habe Angst“, schluchzte ich. „Ich habe Angst um uns alle.“
„Pst, Kind“, sagte sie und küsste meine Stirn. „Das sind so schwierige Zeiten, so dunkle Seiten.“
„Aber -“ Was, fragte ich mich, wusste sie von gebrochenen Herzen?
„Mach dir keine Sorgen. Alles wird wieder normal, sobald der Krieg vorüber ist. Gerade jetzt ist alles ein wenig verrückt, und es gibt so viele Probleme - es gibt nicht genug zu essen und dieser Winter ist so schrecklich kalt! Sobald Gott uns Sieg über die Deutschen gewährt hat, wird alles gut, du wirst schon sehen. Vertraue mir, du hast viele wundervolle Tage und Jahre vor dir.“
„Ich?“
„Ja, du. Na, gerade unlängst vertraute mir dein Vater an, dass er eine Vision von dir gehabt hatte - er sagte, du würdest ein langes und gesundes Leben führen, und du würdest ihm Enkelkinder schenken, und du würdest viele interessante Dinge vollenden. Ist das nicht wundervoll?“
„Wirklich?“, erwiderte ich und fragte mich, ob das bedeutete, dass ich aus Liebe heiraten und eines Tages ein Buch mit Gedichten veröffentlichen würde.
„Ja. Er sagte sogar, du würdest reisen und im Ausland leben.“
„Im Ausland leben? In einem anderen Land?“, sagte ich mit einem bitteren Lachen, als ich meine Augen abwischte. „Das ist unmöglich. Ich will Russland nie verlassen.“
Dunja nahm mich und hielt mich und umarmte mich so herzlich wie der große Backofen, der den Kern unseres Dorfheimes heizte. Aber dann aus dem Nichts läutete unsere Türglocke und ließ uns auseinanderspringen.
„ Gospodi !“, keuchte Dunja. „Ich sagte den Sicherheitswachen, dass dein Vater heute niemanden empfangen würde - und dass sie niemanden auch nur in das Gebäude ließen. Offensichtlich muss es etwas Wichtiges sein.“
Es mochten Agenten in und um das Gebäude zu unserer Sicherheit postiert sein, aber niemand ging durch unsere Tür ohne Dunjas Erlaubnis, und heute sollte keine Ausnahme sein. Als sie ihre Hände am Handtuch abwischte, strich sie einige lose Haare zurück und ging direkt zum Vorzimmer.
Wer könnte es sein? Wer war an den Agenten vorbeigekommen, die in der Eingangshalle postiert waren, geschweige denn an jenen, die auf der Treppe postiert waren? Sobald ich das dachte, traf es mich: Waren die Agenten hier? Was, wenn sie ihre Posten verlassen hatten, genauso wie sie es letzte Nacht getan hatten? Bozhe moi , ich hatte
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