Ratgeber Neuropsychologie
Fertigkeiten üben und einige Tätigkeiten näher kennen lernen. Darüber hinaus ergriff sie erfreulicherweise auch selbst die Initiative, weitere Berufsfelder zu erkunden.
Frau P. erzielte in der neuropsychologischen Therapie deutliche Fortschritte. Auch wenn der Gesichtsfeldausfall sich nur wenig zurückbildete, verbesserten die Übungen ihre Sehfähigkeiten im Alltag deutlich. Auch im Lesen kam sie gut voran, beging weniger Lesefehler und ihr Lesetempo normalisierte sich wieder. Dies ist häufig zu beobachten: Durch das Anwenden geeigneter Strategien können auch dann große Fortschritte erzielt werden, wenn sich der medizinische Befund nur wenig verbessert.
Problematischer war im Behandlungsverlauf der angemessene Umgang mit den Einschränkungen in der Belastbarkeit. Frau P. tat oft des Guten zuviel, legte von sich aus kaum Arbeitspausen ein und klagte nicht über aufkommende Beschwerden, was dazu führte, dass sie von Therapeuten und Mitpatienten zum Innehalten aufgefordert werden musste, wenn ihr die Erschöpfung bereits von außen anzumerken war. Dieser Zeitpunkt lag für einen schonenden Umgang mit den eigenen Kräften jedoch regelmäßig zu spät. Der Patient wurde vermittelt, verstärkt auf ihre Befindlichkeit zu achten, ohne sich als „faul“ oder „überempfindlich“ abzuqualifizieren. Nützlich waren hier auch Informationen über natürliche Erholungs-Abläufe, die der Patientin deutlich machten, dass sie sich bisher selbst geschadet hatte.
Zum Abschluss der stationären Behandlung war die Konzentration von Frau P. auch über längere Zeiträume wieder so gut, dass Sie halbtags arbeitsfähig war und es sich abzeichnete, dass sie in absehbarer Zeit auch wieder ganztags arbeiten können würde. Der Gesichtsfeldausfall war im Alltag und beim Lesen kaum noch bemerkbar. Die Lähmungen in der rechten Hand erwiesen sich zwar weiterhin als einschränkend, Frau P. hatte jedoch in der Ergotherapie linkshändiges Schreiben und auch den einhändigen Umgang mit einer PC-Tastatur gelernt.
In der Sprachtherapie ließ sich zum Behandlungsabschluss keine behandelbare Sprachstörung mehr nachweisen. Frau P. lernte in der Therapie, ihre sprachlichen Fähigkeiten und Schwächen besser einzuschätzen und zur Vermeidung von Missverständnissen bei Verständniszweifeln nachzufragen.
Nach dem Klinikaufenthalt war das wichtigste Anliegen die endgültige Berufsfindung. Dabei kristallisierte sich eine Ausbildung zur Reiseverkehrskauffrau als eine Perspektive heraus, die sowohl den Neigungen von Frau P. entsprach als auch ihren Fähigkeiten angemessen war. Durch eine Weiterführung der neuropsychologischen Behandlung konnten die erreichten Verbesserungen stabilisiert und die Patientin beim Wiedereinstieg ins Arbeitsleben unterstützt werden. Ein Jahr nach ihrer Erkrankung konnte Frau P. einen betrieblichen Ausbildungsplatz in einem Reisebüro finden; zwischenzeitlich ist ihr ein erfolgreicher Berufsabschluss gelungen.
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