Ratgeber & Regenten 01 - Die Bluthündin
bewegte. Das einzige Geräusch kam von den Macheten, mit denen sie sich durch das Laub kämpften, das das Gebiet überzog.
Quon Lee kam zu Andris. »Hier sollten Untote sein«, sagte er leise. »Warum sind wir noch nicht angegriffen worden?«
»Wir werden ihnen schon noch begegnen«, murmelte Andris. »Ich weiß nicht, warum sie warten. Vielleicht bewachen sie etwas, das ihnen zu Lebzeiten wichtig war.«
»Das heißt, wenn wir jetzt gehen, ohne diesen unbekannten Schatz zu plündern, werden sie uns in Ruhe abziehen lassen?«
Andris lächelte ironisch. »Was glaubst du?«
Quon Lee zuckte nur die Achseln und hob wieder die Machete.
Nach einem kurzen Stück standen sie plötzlich in einem ausladenden Hof. Die Gebäude waren fast noch vollständig erhalten, und der Springbrunnen in der Mitte plätscherte noch. Andris bemerkte, daß vom Wasser ein schwerer, sumpfiger Geruch ausging.
Er nahm eine Phiole mit Pulver und eine Fackel aus seinem Rucksack, entzündete zuerst die Fackel und zog dann mit den Zähnen den Korken aus der Phiole. Die anderen Kämpfer folgten seinem Beispiel.
»Und nun?« flüsterte Iago.
»Wir warten«, erwiderte Andris nur.
Lange mußten sie nicht warten. Plötzliches Knochengeschepper und der Gestank verfaulenden Fleische kündigte den Angriff an. Gestalten, von denen einige nur noch ein Skelett waren, während andere noch einen Rest von Fleisch an den Knochen hängen hatten, kamen aus den Gebäuden, die den Hof umgaben. In ihren Knochenhänden hielten sie unschätzbar wertvolle Elfenwaffen, aber Andris sah, daß keine der untoten Gestalten mit einem Elfen Ähnlichkeit hatte. Sie waren alle menschlich. Bei manchen waren die Knochen extrem trocken und brüchig, während andere offenbar noch nicht lange tot waren. Das war also die Ruhestätte jener Abenteurer, die versucht hatten, den Schatz der Stadt zu plündern. Doch was war mit den Elfen?
Die Zeit reichte nicht aus, um sich mit dieser Frage zu beschäftigen. Die Männer warfen die geöffneten Phiolen ins Wasser, dann folgten die Fackeln, bis die Gruppe sich abwandte und in die Richtung rannte, aus der sie gekommen war.
Mit einem Sprung tauchten sie ins Dickicht ein, ließen sich soweit über den Boden rollen, wie es ging, und preßten die Hände auf die Ohren.
Tosender Donner rollte durch die rankenüberwucherten Straßen, der wie der Schrei eines in die Lüfte aufsteigenden Drachen klang. Ein zweiter Donner grollte, gefolgt von immenser Hitze und einer dicken schwarzen Rauchwolke, die den Männern den Atem nahm.
Nach ein paar Minuten kehrten sie zurück auf den Hof. Ein paar Knochen zuckten noch, aber die Mehrzahl der Untoten war von der Explosion vernichtet worden. Säulen aus fauligem Dampf und schwarzem Rauch stiegen auf. Die Kristallgebäude standen noch, doch einige Türen waren von der Druckwelle aus den Angeln gerissen worden.
Hinter einer der Türen bemerkte Andris ein schwaches grünliches Leuchten. Vorsichtig trat er durch die Tür und fand sich in den Ruinen eines Tempels wieder. Auf dem Altar lag eine kleine Kugel, die vielleicht halb so groß war wie der Kopf eines Mannes und die schwach pulsierte. Andris fühlte eine Anziehung, ein mächtiges Verlangen, das sich mehr nach Traurigkeit als nach Hunger anfühlte.
»Was in allen verdammten neun Höllen ist das für ein Ding?« fragte Wolther und strich sich sein strohblondes Haar aus dem Gesicht, während er die leuchtende Kugel betrachtete.
»Ich bin nicht sicher«, antwortete Andris. »Ich glaube aber, daß es den Untoten Kraft gibt. Bedenke, wie sie hier zusammenkommen. Die Kugel giert nach Magie, und die untoten Kreaturen, von denen es umgeben ist, sind wie Bienen, die einer Königin Nektar geben.«
Er nahm den Kristall vorsichtig hoch und verstaute ihn in seinem Rucksack.
Der Nordmann kniff seine himmelblauen Augen zusammen. »Wir nehmen das mit? Es wird alle Untoten weit und breit anlocken!«
»Der Rückweg wird nicht ereignislos sein«, sagte Andris. »Aber nur so können wir unsere Aufgabe erledigen. Der Sumpf von Kilmaruu wird nie ganz frei von Untoten sein – welcher Sumpf in jedem beliebigen Land würde das schon von sich behaupten wollen –, doch die Geschöpfe, die zurückbleiben, werden nicht Magie benötigen, um sich zu ernähren.«
Der große Nordmann verschränkte die Arme. »Mir kommt es vor, als würdet Ihr ein Problem verlagern, aber nicht lösen.«
»Sicherlich findet sich in Halruaa ein Magier, der diese Macht bändigen oder aufheben kann«,
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