Ratgeber & Regenten 01 - Die Bluthündin
zusammensetzte, alle moosgrün und haßerfüllt. Ein nasses Antennenpaar nahm eine Stellung ein, die eindeutig drohend war. Das Maul der Kreatur, ein sonderbar gebogener Schnabel, öffnete sich, während sie den Kopf hob, um anzugreifen.
Andris hob den Dolch und stach direkt in das offene Maul. Wieder schrie die Libelle, ein entsetzlicher röchelnder Laut. Heißes Blut schoß aus dem Schnabel hervor, dann begann das wilde Leuchten in den unzähligen Augen zu erlöschen.
Der Jordain riß seinen Dolch heraus, atmete tief durch und tauchte. Obwohl die Kreatur tot war, hatte sie ihre Beute nicht losgelassen. Salvidios Augen traten hervor, aus seinem Mund quollen Luftblasen. Andris nahm sein Messer, um die Beißzangen aus Salvidios Schultern zu lösen. Er sah sofort, dass er damit nicht zeitig fertig sein würde, also kehrte er rasch an die Wasseroberfläche zurück.
»Ihr drei!« brüllte er und deutete auf ein Trio in seiner Nähe. »Helft mir!«
Dann tauchte er wieder. Zu viert gelang es ihnen, Salvidio aus der tödlichen Umklammerung zu lösen. Andris zog den kraftlosen Körper an Land, wo der Mann spuckte, hustete und sich schließlich von der Gruppe entfernte, um das Sumpfwasser zu erbrechen, das er geschluckt hatte.
Andris holte eine kleine Flasche aus der Tasche, eine Salbe, die half, Wunden zu verschließen und Insekten zu vertreiben. Hier im Sumpf konnte sich der kleinste Kratzer als tödliche Verletzung erweisen. Er trug die Salbe auf Salvidios Schulter auf und legte einen Verband an, wobei er die Klagen des Mannes ignorierte, der wegen der ungewollten Verzögerung ungehalten und ungeduldig war. Sobald Salvidio gehen konnte, zogen sie weiter. Mit jedem Schritt wurde die Gefahr größer, da sie der verlorenen Stadt mit ihren untoten Bewohnern immer näher kamen.
Um die Mittagszeit machte die Gruppe kurz Rast und ließ sich auf halb versunkenen Baumstämmen am Ufer nieder, um etwas von den mitgenommenen Rationen und dem Wasser zu sich zu nehmen. Wolther, ein strohblonder Krieger aus dem Norden, der beim Essen ungewöhnliche Vorlieben hatte, sammelte eine Handvoll Muscheln aus dem seichten Gewässer, öffnete sie mit seinem Messer und verzehrte den Inhalt roh. Ehe Andris ihn ermahnen und an die Gefahren erinnern konnte, die der Verzehr von allem, was in diesem sumpfigen Wasser lebte, mit sich brachte, hatte Wolther bereits ein rundliches Schneckenhaus umgedreht und forschte mit der Messerspitze nach dem Innenleben. Der Gesichtsausdruck des Mannes verwandelte sich von Verwirrung in blankes Entsetzen. Er ließ das Gehäuse ins Wasser fallen, als sei es glühend heiß.
»Seht euch die Schnecken an«, flüsterte er.
Andris sah, daß sich mehrere der Schneckenhäuser entlang der vom Wasser weich gewordenen Rinde bewegten. Er nahm eine der Schnecken, bemerkte den leichten Widerstand, als er sie anhob, und entdeckte einen einzelnen fleischigen Fuß des Geschöpfs im Inneren. Er zuckte die Achseln, dann nahm er eine andere hoch. Diesmal war kein Widerstand zu spüren – das Haus war leer.
Aus irgendeinem Grund wirkte diese unbedeutende Tatsache unheilvoller als das Auftauchen eines verrottenden Ghuls. Der Sumpf war voller untoter Kreaturen, jeder von ihnen wußte das. Der wiederbelebte Tod hatte die Tiefen des Sumpfs fest im Griff. Aber Andris schwindelte, als er über eine Macht nachdachte, die so gewaltig war, daß sie auf so winzige Geschöpfe übersprang.
Er konnte gegen einen Zombie oder ein Skelett kämpfen, aber würden sie eine Macht überwältigen können, die sich im ganzen Sumpf manifestierte?
Er setzte die Gehäuse vorsichtig zurück auf den Boden und begab sich wieder ins seichte Gewässer. Den Männern bedeutete er, ihm zu folgen. Die Ruinen der untergegangenen Stadt konnten nicht mehr fern sein.
Das erste Anzeichen dafür war eine Wasserfläche, aus der Steinblöcke aufragten. Sie waren mit Moos überzogen, zum Teil geborsten und wirkten wie die Grabsteine Ertrunkener, die im Sumpf beerdigt lagen. Andris zog seine Dolche und hörte hinter sich einen leisen Chor aus metallischem Zischen, als seine Männer seinem Beispiel folgten.
Mehrere skelettierte Gestalten schossen aus dem Wasser und starrten sie grinsend an. Mit knochigen Fingern beschrieben sie seltsame zuckende Gesten. Tang lag statt Haar auf ihren Schädeln, durchweichte Fetzen einst edler Kleidung hingen lose über knochigen Körpern, und matte Medaillons baumelten vor den leeren Brustkörben.
Andris und Iago traten vor, um sich des
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