Ratgeber & Regenten 01 - Die Bluthündin
mit großer Freude und Dankbarkeit betrachteten.
Winzige Lichtfünkchen schimmerten in den geisterhaften Formen, die sich allmählich aufzulösen begannen. Die Lichter trieben durch das geöffnete Fenster nach draußen und stiegen in die Nacht auf. Andris hätte schwören können, daß die Sterne heller leuchteten.
Kiva sah ihnen nach, dann drehte sie sich zu Andris um. Dem verwunderten Jordain kam es vor, als sei noch etwas von dem Licht auf ihren kupfernen Gesichtszügen verblieben.
»Ich glaube nicht, daß ich dir erklären kann, was hier geschehen ist, aber da du mich zweifellos fragen wirst, will ich versuchen, dir eine Antwort zu geben.«
Andris nickte, da er nicht sicher war, ob er ein Wort herausbringen konnte.
»Elfen schließen sich zusammen, um etwas Magisches zu bewirken. Ein Elf agiert als das Zentrum, das die Magie von anderen und aus dem umgebenden Land anzieht, bündelt und sie zu einem Zauber zusammenwebt. In der Stadt Kilmaruu gab es einst viele Elfen, die große Magie vollbrachten. Du kannst dir vermutlich vorstellen, was sie zu tun versuchten.«
»Einen Kampf der Zauberer«, sagte er. »Sie kämpften gegen die drei Magier, die den Fluß umleiteten und damit den Sumpf von Kilmaruu schufen.«
»Bekämpft ... und verloren«, sagte sie bitter. »Der Kristall war ein Werkzeug, das ihnen helfen sollte, ihre Magie zu bündeln. Etwas ging schief, und ein Teil ihrer Essenz war gefangen, als sie starben. Aber sie waren auch mit der Magie des Landes verbunden, und diese Verbindung blieb bestehen. Ich vermute, das zog die Untoten an und gab ihnen Kraft. Sicher bin ich nicht. Ich weiß nicht, welcher schrecklicher Zauber sich die drei menschlichen Nekromanten bedienten, doch jetzt sind die Elfen frei, und das haben sie dir zu verdanken.«
Andris dachte nach. »Wir dienen also nicht nur meinem Volk, sondern auch Eurem? Gilt das auch für Akhlaurs Sumpf?«
»Noch viel mehr«, sagte Kiva leise und finster. »Einer dieser drei Nekromanten hieß Akhlaur. So wie du lernte er aus seinen Erfahrungen in Kilmaruu und verschrieb sich ›größeren Dingen‹. Ich werde dich nicht mit Lügen besänftigen: Was du in Kilmaruu sahst, ist nur die Vorbereitung. Da du das weißt, wirst mir weiter folgen?«
Der Jordain sah durch das offene Fenster nach draußen. Der Himmel am Horizont nahm allmählich eine silberne Farbe an, doch die Sterne leuchteten kraftvoller und fröhlicher, als er es je erlebt hatte.
Er wandte sich wieder Kiva zu, und eine Leidenschaft, die nichts mit der Schönheit der Bluthündin zu tun hatte, brannte in seinen braunen Augen.
»Ja«, schwor er.
SECHZEHNTES KAPITEL
T zigone zog sich über das Sims und ließ sich ins Zimmer fallen. Sie kauerte auf dem Boden und lauschte auf Geräusche, die auf die Anwesenheit des rechtmäßigen Benutzers der Räume hinwiesen. Es schien kein Licht, aber sie hatte nicht so lange gelebt, um nun alle Vorsicht über Bord zu werfen. Es machte ihr nichts aus, in Matteos Allerheiligstes einzudringen. Immerhin hatte er die Läden nicht geschlossen und verriegelt, was er hätte tun müssen, wenn er sie wirklich hätte fernhalten wollen.
Sie durchsuchte die Kiste am Fußende seines Betts nach einer seiner weißen Tuniken. Das Kleidungsstück war ihr zwar viel zu lang und reichte ihr fast bis zu den Knien, aber wenn sie einen Gürtel dazu trug, sah es gar nicht schlecht aus. Den Anhänger des Jordain hatte sie bereits entdeckt und legte ihn sich um. Sie trug auch schon die langen weißen Gamaschen und ein weites, langärmliges Hemd. Bei diesem Wetter ließen Jordaini die Arme üblicherweise unbedeckt, doch damit hätte sie sich verraten. Tzigone war kräftig und durchtrainiert, aber niemand hätte ihre schlanken Arme mit denen eines geübten Kämpfers verwechselt.
Ehe sie sich auf den Weg in den Palast machte, ging sie ins Bad und übte vor dem Spiegel so lange, bis sie den ruhigen, sicheren Ausdruck gefunden hatte, den sie mit einem Jordain verband. Es war wichtig, richtig auszusehen. Ein schiefes Lächeln im falschen Moment konnte Aufmerksamkeit auf sie lenken, die sie sich nicht leisten konnte.
Sie ging zielstrebig durch die langen Flure, ohne zu wissen, wohin sie sich eigentlich begab. Sobald ihr jemand begegnete, setzte sie eine sehr nachdenkliche Miene auf, so als würde sie sich mit bedeutenden Geheimnissen beschäftigen oder versuche, ein Epos auswendig zu lernen, das sich über drei Schriftrollen erstreckte. Fast eine Stunde brachte sie so herum, und sie
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