Ratgeber & Regenten 01 - Die Bluthündin
auf dem Gesicht Procopios. Sollte er tatsächlich auf eine Einladung hoffen, die ihn zum Mitglied dieser rätselhaften Gruppe machte?
Der Elf beobachtete ihn und seine Besucherin aufmerksam und kam zu der Erkenntnis, daß dem tatsächlich so war. Auch wenn man es nicht glauben konnte, war es möglich, daß diese beiden – der Mann, dem er diente, und eine Jordain, die er über allen anderen ehren sollte – fast beiläufig über das Vermächtnis einer bösen Macht diskutieren konnten, die Zephyrs Volk vernichtet und sein Leben zerstört hatte. Die Kabale hatte ihren Wurzeln in einer Zeit, die der Elf nur zu gut kannte. Und dennoch standen diese beiden ignoranten und kurzlebigen Menschen dort und unterhielten sich über die Kabale, als handele es sich um nichts weiter als um eine politische Erwägung, eine weitere geschnitzte Figur in einem von Procopios Strategiespielen.
Zorn, der tief saß und uralt und verzehrend war, entstieg dem Herzen des alten Elfen.
»Und welche Absicht verfolgt Ihr, Cassia?« wollte Zephyr wissen. »Was erhofft Ihr Euch davon, Matteo in den Dienst der Königin zu überstellen? Ihr werdet doch nicht aus Sorge um Meister Procopio so handeln.«
Die Frau riß ihre schwarzen Augen entsetzt auf, als sie auf diese ungehörige Weise angesprochen wurde, begann dann aber schallend zu lachen. »Alles, was ich Eurem Patron gesagt habe, stimmt. Doch du, Elf, vermutest, es gäbe mehr zu wissen. Die Erkenntniszauberin Xavierlyn schleicht sich in die Gunst des Königs ein. Ich glaube nicht, daß Zalathorm begeistert wäre, wenn Xavierlyns Jordain den Ratgeber der Königin herausfordert. Der König mag nicht mehr so von Beatrix angetan zu sein wie früher einmal, aber er wird keiner Frau gegenüber aufgeschlossen auftreten, die wenigstens scheinbar um den Platz der Königin bemüht ist.«
»Geschickt«, sagte Zephyr kühl. »Ihr hetzt Eure Rivalinnen aufeinander. Aber nur eine von ihnen wird verlieren. Welchen Nutzen hättet Ihr davon?«
Cassias Gesicht wurde blaß vor Wut, wenn man dem rötlichen Hauch hoch oben auf ihren Wangen absah. Einen Moment lang dachte Zephyr, sie wolle ihn schlagen, doch dann bekam sie sich unter Kontrolle und deutete eine leichte Verbeugung an.
»Du kommst schnell auf den springenden Punkt, Elf. Ich verstehe, warum Procopio dich immer noch um sich hat, auch wenn du deine Zeit ganz offensichtlich längst überschritten hast. Xavierlyn kann es mit Beatrix nicht aufnehmen, das ist wahr. Aber ich kenne die Kabale viel besser als du.«
Zephyrs einzige Reaktion war ein bitteres Lächeln.
»Matteo steht in Verbindung mit Keturahs Tochter, und daher wird die Kabale ganz sicher auf ihn aufmerksam«, fuhr die Frau fort. »Eins ist klar: Überall dort, wo Matteo sich hinbegibt, wird ihm Ärger auf den Fuß folgen.«
Die Ratgeberin des Königs wandte sich dem wachsamen Procopio zu und bedachte ihn mit einem verschwörerischen Lächeln. »Und wenn ihm dieser Ärger an die Türen Xavierlyns und Königin Beatrix’ folgt, dann kann ich wohl behaupten, daß damit Eurer und meiner Sache gedient sein wird.«
* * *
Tzigone wanderte durch die Stadt und blieb zur Abwechslung einmal auf den belebten Straßen. Ihre scharfen Sinne nahmen die häufige Berührung von Zaubern wahr, wenn Schutzzauber, Ausspähungen, Such- oder Erkenntniszauber an ihr abglitten wie Regentropfen an einem Frosch. Sie hatte gehört, diese Erfahrung sei für diejenigen, die neu ins Land kamen, nervenaufreibend. Das konnte sie sich gut vorstellen, auch wenn bei ihr keiner der Zauber eine Wirkung erzielen konnte.
Sie fand Magie langweilig. Viel stärker war ihr Interesse an der Schönheit dieses Ortes. Die Abenddämmerung war ihre liebste Tageszeit, und Halarahh war eine ihrer Lieblingsstädte. Sie liebte die rosafarbenen Korallenhäuser, die Türme aus weißem, blauem oder grünem Marmor, die Straßen, die mit Halbedelsteinen gepflastert waren, die verspielten Brunnen, die die Luft mit einem angenehmen Plätschern erfüllten. Der helle Rand der Sonne versank hinter den westlichen Mauern und tauchte die schneebedeckten Spitzen der höchsten Gipfel in goldenes Licht. Sternenschlangen flogen zu ihren Bäumen, um Unterschlupf für die Nacht zu finden. Die Luft war sanft und ruhig, erfüllt vom Duft exotischer Blüten, die überall zu wachsen schienen. Tzigone machte einen Bogen um ein Gitter mit Jasmin, der einzigen Pflanze, die sie nicht mochte. An die Gründe dafür konnte sie sich nur schwach erinnern.
Sie seufzte
Weitere Kostenlose Bücher