Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Rattentanz

Titel: Rattentanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Tietz
Vom Netzwerk:
eine in den Wald geworfene Hülle.
    Stiller nahm von seinem Sieg nichts wahr. Er bückte sich nach dem nächsten Stein und warf ihn hinab, hinab zu dem Bastard, der ihn töten wollte. Noch ein Brocken und noch einer und noch einer. Stein um Stein um Stein und er schrie dabei und in Dr. Stillers Augen leuchteten Wahnsinn und Zorn um die Wette.
    Gollum.

49
    19:12 Uhr, Wellendingen
----
    Als Anne Gehringer der fast vollständig versammelten Dorfbevölkerung das Wahlergebnis vorlas, konnte Frieder Faust seinen Ohren kaum glauben: er lag mit ziemlich großen Abstand vorn.
    Jetzt, kurz nach neunzehn Uhr, saßen er und die anderen vier gewählten Mitglieder des neuen Rates zusammen bei Roland Basler auf der Terrasse. Auch Basler hatte man wie erwartet in den Rat gewählt, wenn auch mit deutlich weniger Stimmen. Das schien ihm aber nicht allzu viel auszumachen. Gleich, nachdem sein Name und die ausreichende Stimmenzahl dazu verlesen war, sprang er auf und hatte sich, ganz Weltmann und Politiker, lautstark bedankt. Ein Außenstehender, der weder den Grund der Versammlung noch dessen unangenehme Pflichten in der Zukunft kannte, hätte auf die Idee kommen können, Zeuge einer dörflichen Laienaufführung zu sein – ein Spiel nur, ohne Ernst, ohne Pflichten und vor allem: ohne Konsequenzen.
    Basler lud kurzerhand die Mitglieder des Rates für den Abend zu sich nach Hause ein. Seine Frau Frederike hatte eine Schale Obst auf den Tisch gestellt, Gläser und zwei Flaschen Wein.
    Bea Baumgärtner erschien als Erste. Ihr gutes Wahlergebnis war kei ne allzu große Überraschung, hatte sie als Vorsitzende der Wellendinger Landfrauen schon viele der weiblichen Stimmen bereits im Vorfeld so gut wie sicher. Überraschender war da schon Christoph Eiseles Wahl.
    Eisele, der mit Ende zwanzig immer noch bei seinen Eltern lebte, hatte vor vier Jahren sein Germanistikstudium abgebrochen und war in den Schoß der Familie zurückgekehrt. Seine Eltern halfen ihm, in Bonndorf einen kleinen Laden mit Bioprodukten aufzubauen. Dieser hatte ihn in den letzten Jahren mehr schlecht als recht ernährt und war in den gestrigen Abendstunden geplündert und verwüstet worden. Vielleicht war es sein neuer Job als Beerdigungsunternehmer, der ihm die spontanen Sympathien der Wähler eingebracht hatte, vielleicht auch die Intelligenz seiner dunklen Augen – jedenfalls hatte er das fünftbeste Ergebnis erzielt.
    Faust kam mit seinem Pick-up vom anderen Ende des Dorfes hierher ins Neubaugebiet am Hardt. Und er hatte das Überraschungsmitglied neben sich sitzen. Hildegund Teufel, siebenundachtzigjährig, hatte das viertbeste Ergebnis erhalten.
    Faust half ihr aus dem Wagen, gab ihr die beiden Stöcke und ging langsam hinter ihr her um Baslers beeindruckendes Anwesen herum zur Terrasse.
    »Wenn sonst keiner da ist, der es übernimmt«, begann Basler, als Hildegund Teufel endlich Platz genommen hatte, »dann mache ich es eben.« Er erhob sich und nahm sein Weinglas. »Glückwunsch uns al len!«
    »Weiß nicht, ob es da viel zum Beglückwünschen gibt.« Bea Baumgärtner griff trotzdem nach dem Glas vor sich und nippte an dem teuren Rotwein. »Ich kann mir vorstellen, wir werden einige Dinge entscheiden müssen, mit denen wir uns nicht unbedingt neue Freunde machen werden.«
    »Das ist richtig«, stimmte ihr Basler zu und setzte sich. »Aber zuerst, bevor wir uns ans Eingemachte wagen, sollten wir einen Vorsitzenden wählen.«
    »Faust. Der hat die meisten Stimmen bekommen.« Für Eisele stand fest, dass Faust der Richtige war. Faust hatte nach der Flugzeugkatas trophe gestern Morgen nicht viele Worte gemacht. Er hatte angepackt und den Überblick behalten. Genau das brauchte das Dorf jetzt.
    Aber Faust schüttelte den Kopf. Im Rat mitmachen – seinetwegen, aber als Vorsitzender für alles und jede Entscheidung den Kopf hinzuhalten, das war nicht seine Welt. Er schüttelte den Kopf und stellte das leere Weinglas ab. »Wenn es euch nichts ausmacht, würde ich auf diese Ehre gern verzichten. Es wäre …«
    »Als derjenige mit den zweitmeisten Stimmen«, fiel Basler Frieder Faust ins Wort, »bin ich dann wohl der nächste Kandidat! Und«, er legte eine feierliche Pause ein, »ich nehme die Aufgabe an.«
    Die beiden Frauen sahen sich verwundert an, auch Eisele wirkte überrascht. Die alte Teufel zuckte schließlich mit den Schultern. Sollte er es doch machen, wenn er sich so danach drängte. Einer musste den Job schließlich übernehmen. Und war es nicht die logische

Weitere Kostenlose Bücher