Rattentanz
leben.«
»Hat dieses neue Leben nicht längst begonnen?« Faust drehte sich um und die anderen folgten seinem Blick hinauf aufs Hardt. Dort ragte der ausgebrannte Rumpf der Unglücksmaschine in die fortschreitende Dämmerung. »Haben wir überhaupt eine Wahl?«
Wohl kaum, dachte Bea Baumgärtner beim Blick auf das Mahnmal. Noch immer gab es auf die gewohnten Handgriffe, die jeder von ihnen wohl hundertmal am Tag ausführte, keinerlei Reaktionen. Der aufgedrehte Wasserhahn spendete kein Wasser, Lichtschalter klackten zwar, es blieb jedoch dunkel und ob man den Telefonhörer nun abnahm oder nicht war auch egal, es gab kein anderes Ende der Leitung mehr, wenn man es auch nicht wahrhaben wollte.
Roland Basler fand, dass dies ein guter Augenblick sei, die Honorierung ihrer Arbeit im Rat zu besprechen. Letztendlich opferten sie Zeit und Energie, die alle anderen für ihre eigenen Zwecke einsetzen konnten, während sie hier zusammensaßen und versuchten, das Rad einer kleinen Gesellschaft neu zu erfinden. Er wollte gerade den Mund aufmachen, als ein Wagen mit offensichtlich defektem Auspuff vorfuhr. Wenig später führte Frederike Bubi Faust und Martin Kiefer zu der fünfköpfigen Versammlung. Kiefer hielt etwas in den Händen, lang und in ein Stück Stoff eingewickelt.
»Ist etwas passiert?« Frieder Faust war aufgesprungen und packte seinen Sohn bei den Schultern. »Komm, sag schon!«
»Alles in bester Ordnung«, beschwichtigte Kiefer. Faust ließ Bubi los und wandte sich Kiefer zu.
»Und was wollt ihr dann hier?«
»Wieso stört ihr unsere erste Sitzung?« Basler, der Hausherr, hatte sich erhoben und ging um den Tisch herum zu den beiden Störenfrieden. »Was wir hier zu besprechen haben, ist nicht unbedingt für Außenstehende bestimmt!«
»Außenstehende?« Kiefer wiederholte das Wort und es klang süffisant und schmierig. »Ich dachte, es geht bei eurer Sitzung um uns alle.«
»Geht es natürlich auch.« Faust stellte sich zwischen Kiefer und Basler. »Aber nicht alles, was hier diskutiert wird, ist auch spruchreif. Was wollt ihr?«
»Wir wollten dir, Vater, äh, euch allen natürlich, etwas Wichtiges sa gen. Und bringen.«
»Das, was wir hier machen, ist wichtig!« Basler wedelte mit den Händen, was soviel wie »Macht euch weg!« bedeuten sollte. Aber Hildegund Teufel hob ihren Stock und Basler ließ die Hände sinken.
»Also, macht es kurz.«
»Wir sind nach der Versammlung heute Mittag noch mal zu Nussbergers Haus gefahren.«
»Was hattet ihr da zu suchen?«
»Wir haben zusammen mit dem alten Nussberger seine Schwester hinter seinem Haus begraben. Ich weiß, wir haben einen Friedhof, aber er wollte es so. Will auch weiter ganz allein in seinem Haus bleiben«, erklärte Kiefer und zuckte dabei mit den Schultern. Bubi trat einen Schritt zurück.
»Sehr gut!«, lobte Basler. »Aber das hättet ihr uns auch noch morgen sagen können.«
»Anschließend sind wir noch einmal zu dem Fahrzeug raus, das uns heute Morgen fast gerammt hätte.«
»Und?«
»Wir haben das hier gefunden.« Er legte, was auch immer es war, das er im Arm hielt, auf den Tisch und schlug den Stoff zurück.
»He, ist das Ding echt?« Basler beugte sich über den Tisch. »Funktioniert es?«
»Keine Ahnung. Aber wir können es ja ausprobieren.« Kiefer nahm das Maschinengewehr, das sie bei den beiden Soldaten im Wagen gefunden hatten und hielt es in die Luft.
»Nein!«, rief Faust. »Leg das sofort wieder hin!«
»Kennst du dich damit aus?«
Kiefer strahlte. »Natürlich! War schließlich nicht umsonst zwei Jah re beim Bund.«
»Und, habt ihr noch mehr? Auch Munition?« Bubi und Kiefer nickten.
»Wir haben alles dabei. Sechs oder sieben von denen da«, er zeigte auf die glänzende Waffe, »und ’nen ganzen Haufen Munition.« Und ein dickes Päckchen Marihuana, dachte er, aber das behalte ich.
»Bringt alles ins Haus«, entschied Faust. Dann sah er zu Basler herü ber. »Ist doch in Ordnung, wenn wir das Zeug erst mal bei dir hier lassen?«
»Natürlich«, nickte Basler. »Kommt«, er ging voraus, »wir schaffen es in den Keller.«
Sie brachten Kiefers Fundstücke in den Heizungskeller. Basler schloss danach die feuerdichte Stahltür ab und steckte den Schlüssel ein. Als Basler den anderen die schmale Treppe hinauffolgen wollte, hielt ihn Kiefer zurück.
»Solltet ihr jemanden suchen, der sich hier ein bisschen um Ordnung und Sicherheit kümmert und dass so etwas wie mit Nussbergers nicht wieder geschieht, könnte ich dir
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