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Rattentanz

Titel: Rattentanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Tietz
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Rest ist abbruchreif.«
    Nach und nach trafen die Mitglieder des Wellendinger Gemeinderates in Hildegund Teufels Stube ein – jeder von ihnen bis auf die Knochen durchweicht. Hildegund Teufel freute sich insgeheim, dass dieses Treffen bei ihr stattfand. Um nichts in der Welt mochte sie jetzt da draußen sein!
    Ihre Stube war niedrig, mit einer Kassettendecke, die dick mit rissiger, hellgrüner Farbe bestrichen war. Faust setzte sich zu Bea Baumgärt ner auf ein uraltes Kanapee, welches so niedrig und durchgesessen war, dass beide Mühe hatten, auf den Tisch vor ihren Nasen zu sehen. Die anderen nahmen einer nach dem anderen auf wackligen Stühlen Platz und die alte Teufel servierte heißen Kräutertee und Pfannku-chen, die aus ihrer kleinen Pfanne direkt auf die Teller der Gäste rutschten.
    »Die Marmelade ist selbst gemacht.«
    Sie hatte am Nachmittag den kleinen Holzherd in der Küche angefeuert, von dem zu trennen sie sich seit ihrem Einzug weigerte. Selbst der Schornsteinfeger hatte ihr schon vor langer Zeit nahegelegt, auf ei nen Elektroherd umzusteigen. Aber die Meinungen und Ratschläge der anderen hatten sie noch nie interessiert, und wie man sieht, hatte sie am Nachmittag gedacht, als das Wasser auf dem Herd zu sieden begann, war es richtig, mir meine Unabhängigkeit zu bewahren.
    Ihre Gäste stürzten sich auf die Pfannkuchen, für Bea und Eisele war es die erste warme Mahlzeit seit drei Tagen.
    Christoph Eiseles Mitteilung, dass die Arbeiten auf dem Hardt nun abgeschlossen wären und am nächsten Tag um neun Uhr ein Gottesdienst stattfinden würde, brachten ihm reichlich Lob ein. Weniger gute Fortschritte hatte er allerdings bezüglich der Treibstoffreserven im Ort zu verkünden.
    »Die allermeisten weigern sich kategorisch, die Tanks ihrer Fahrzeuge leer pumpen zu lassen.«
    »Mit welcher Begründung?«, wollte Bea Baumgärtner wissen. Sie war den ganzen Tag bei Albickers auf dem Hof gewesen und wusste, dass deren Dieselvorrat nur noch wenige Tage reichte.
    »Weil sie es selbst brauchen, für Kettensägen oder Rasenmäher, sagen sie. Ich glaube aber, es ist vielmehr die Angst, jetzt auch offiziell jegliche Mobilität einzubüßen. Obwohl, nach eurer Arbeit kann ja keiner mehr so einfach den Ort mit einem Fahrzeug verlassen. Die meisten wollen sich aber einfach nicht eingestehen, dass wir hier auf einer einsamen Insel leben. Vorübergehend jedenfalls.«
    »Hat überhaupt jemand mitgemacht?«, wollte Basler wissen. Er selbst war als einer der Ersten bei Albickers aufgekreuzt. Es waren zwar nur sechs Liter, die er angeblich noch im Tank gehabt hatte, aber es war ein Anfang und er musste in seiner neuen Funktion ein gutes Beispiel geben. Möglichst eines, das nicht allzu teuer war.
    Bea und Eisele nickten. »Sieben waren da. Wenn es hochkommt, alles in allem vielleicht einhundertachtzig Liter.«
    »Was die Lebensmittel angeht, da kommt Anne etwas besser voran. Morgen oder spätestens übermorgen wird sie fertig sein und kann uns dann auch eine genaue Aufstellung der Vorräte geben.«
    Danach kam der Vorsitzende des Rates ohne Umschweife auf das Thema zu sprechen, was ihm offensichtlich die ganze Zeit schon unter den Nägeln brannte. Die Ausführungen der anderen hatte er nur mit halbem Ohr verfolgt, jetzt aber setzte sich Roland Basler aufrecht hin, räusperte sich kurz und schob den leeren Teller vor sich in die Tischmitte, wo eine dicke Kerze brannte.
    »Seit wir gestern zuletzt über das Thema Selbstschutz gesprochen haben, ist wieder einiges passiert.«
    Der Sturm heulte ums Haus und peitschte Regen gegen die einfachen Fenster. In unregelmäßigen Abständen bewegten sich die Vorhänge wie von Geisterhand.
    »Berthold hatte Glück«, unterbrach ihn Hildegund Teufel. Sie hatte den Tag am Bett des Krone-Wirtes verbracht und ihn erst verlassen, als der – er war am Vormittag erwacht – ein paar Stunden später nicht mehr im Bett zu halten war und schließlich aufstand.
    »Richtig«, Basler zog einen Zettel aus der Tasche. »Aber wenn ich mir so ansehe, was alles bei ihm gestohlen wurde, könnte ich mich ohr feigen, dass ich gestern Abend nicht energischer auf eine Schutztruppe bestanden habe!« Er ließ den Zettel rumgehen. Bea und auch Faust machten große Augen. Dass es so viel war, hätten sie nicht vermutet. Fleisch, Kartoffeln, Gemüse und mehrere Kisten Wein und Spirituosen. Alles in Mengen, über die sie vor drei Tagen noch gelacht hätten (dann ruf halt beim Großhändler in Waldshut an), die

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