Rattentanz
ihrer Mutter Milch und ein paar Äpfel gegeben. Seitdem gingen sie ihr nicht mehr aus dem Sinn.
»Ich würde es nicht als Bestrafung ansehen«, antwortete Basler, »aber die Situation ist nun einmal die, dass wir nur verteilen können, was wir auch haben. Ich möchte mir gar nicht vorstellen, wie es bei uns in ein oder zwei Wochen zugeht, sollte bis dahin die Welt nicht wieder die sein, die wir kennen.«
»Daran hab ich auch schon gedacht«, meldete sich Faust. Er sah nachdenklich aus und erschöpft. »Momentan geht es uns noch einiger maßen gut, wir haben alle noch Essbares oder wenigstens jemanden, der uns weiterhilft. Wie weit es mit unserer Hilfsbereitschaft her sein wird, wenn wir selbst einen leeren Magen haben, vermag ich mir nicht vorzustellen.«
»Weshalb wir jetzt verschiedene Dinge regeln müssen. Nächste Woche ist es vielleicht zu spät.« Basler hielt offenbar den Zeitpunkt für gekommen, der Diskussion ein Ende zu bereiten und schlug einen förmlichen Ton an. »Also, wer ist dafür, dass wir zur Selbstverteidigung und zum Auffinden für uns wichtiger Personen wie Ärzte eine Schutztruppe einsetzen?« Er hob als Erster die Hand und sah in die Runde.
Faust, der auf dem Kanapee fast versank, hielt die Arme vor der Brust verschränkt.
Bea zögerte neben ihm, dann hob sie den Arm.
Auch Christoph Eisele konnte seine Zustimmung nicht verweigern, zu einleuchtend waren Baslers Argumente, zu schlimm, was bisher schon an Gewalt geschehen war.
Hildegund Teufel musterte Basler. Ihrer Meinung nach fiel ihm der Schritt, die Waffen, die sicher verschlossen in seinem Heizungskeller lagen, herauszuholen, viel zu leicht. Was, wenn die Büchse der Pandora erst einmal offen war?
Sie hatte als junge Frau mit ansehen müssen, was Waffen in den falschen Händen anrichteten und sie war sich nicht sicher, ob Basler wirklich der Mann war, dem es in diesem Falle nur um das Wohl des Dorfes ging. Irgendetwas hatte sie schon immer an ihm gestört, vielleicht sein aalglattes Auftreten oder die Krawatte, die mit ihm verwachsen zu sein schien, und die in der jetzigen Situation, wo eigentlich anpackende Hände gefragt waren, seltsam fehl am Platz wirkte. Sie mochte ihn nicht, aber durfte dies ihre Entscheidung beeinflussen?
Schließlich hob auch sie die Hand.
»Und was ist mit dir?« Basler sah Faust an. »Wäre schön, wenn wir so eine wichtige Entscheidung einstimmig treffen könnten.«
»Also gut. Ich bin einverstanden«, und im Gegensatz zu Basler konnte er sich über seine Zustimmung nicht freuen. Er legte die Arme auf den viel zu hohen Tisch. »Jetzt wär’ ein Schnaps gut, Hildegund.«
»Oh ja, natürlich. Dass ich selbst nicht dran gedacht habe«, schalt sich die Frau und ging in die Küche. Zurück kam sie mit ihrem weitbekannten Johannisbeerlikör und fünf Gläschen.
»Darauf, dass diese Entscheidung kein Fehler ist.« Faust prostete den anderen zu und leerte sein Glas.
»Und wer soll diese Truppe anführen?« Eisele ahnte die Antwort.
»Martin Kiefer.« Basler lockerte den Krawattenknoten. »Er und Bu bi haben die Waffen gefunden und bei uns abgeliefert, was für ihre Loyalität und Ehrlichkeit spricht. Außerdem kennt Kiefer sich mit den Dingern aus und dass er in der Lage ist, anzupacken und weiß, was zu tun ist, hat er bewiesen, als er Georg Sattler nach Stühlingen bringen wollte. Da fällt mir ein, hat jemand was von Sattler gehört? Ist er inzwischen zurück?«
Allgemeines Schweigen.
»Aber allein wird er unser Nest wohl kaum rund um die Uhr bewachen können.«
»Am Anfang kann ihm Bubi sicher helfen. Oder, was meinst du, Frie der? Die zwei scheinen ja sowieso fast unzertrennlich in letzter Zeit.«
Faust stellte sich seinen missratenen Sohn mit einer Waffe in der Hand vor. Ihm war nicht wohl bei diesem Gedanken. Aber vielleicht war es gar nicht schlecht, Bubi endlich einmal zu fordern und Verant wortung zu übertragen. Hieß es nicht, der Mensch wächst mit seinen Aufgaben? Und allein konnte Martin Kiefer den Job wirklich nicht schultern. Selbst mit Bubi an seiner Seite wäre die Aufgabe zu groß, sie konnten nicht gleichzeitig beide Sperren kontrollieren und den Ort im Auge behalten.
»Bubi wird ihm sicher helfen wollen«, antwortete Faust schließlich. »Aber alles in allem sollte die Truppe schon aus fünf oder sechs Personen bestehen, wenn sie effektiv arbeiten sollen.«
»Darum kann sich Martin ja morgen selbst kümmern und ein paar Männer rekrutieren.«
Rekrutieren! Hildegund Teufels
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