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Rattentanz

Titel: Rattentanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Tietz
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schüttelte sich. »Ich hab das Gefühl, wenn es irgendwann einmal drauf ankommt, wirst du wissen, wo du hingehörst. Das hast du gestern bewiesen, bei der Sache mit Sattler.«
    Bubi war die Erwähnung des alten Mannes unangenehm. »Hat das, was du planst, etwas mit Eva zu tun?«, wechselte er schnell das Thema.
    »Eva? Wie kommst du ausgerechnet auf Eva?«
    »Ich dachte nur. Immerhin hast du mich mindestens schon sieben oder acht Mal gefragt, ob sie wieder da sei. Also los, mir kannst du es doch sagen: willst wohl Hans Segers Abwesenheit ausnutzen, was?«
    Kiefer zögerte. Endlich sagte er: »Vielleicht, Bubi, vielleicht. Aber von der Sache mit meiner Exfrau einmal abgesehen, verspreche ich dir eines: Wenn wir zusammenhalten und du keinen Fehler machst, werden dir deine Träumereien von Fotos, die du an gierige Fernsehsender meistbietend verkaufst, bald selbst kindisch und billig vorkom men. Ich sag dir, das ganze Chaos und die Angst, die die Menschen umtreibt, sind unsere Chance! Wir müssen es nur richtig anstellen, dann tanzt hier irgendwann jeder nach unserer Pfeife.«
    »Und wie willst du das erreichen?«
    »Indem wir alles horten, was demnächst wertvoll sein wird. Überleg doch mal, die Produktion von allem, was wir kennen, steht. Ich glaub nicht, dass irgendwo irgendjemand noch Taschenlampenbatterien herstellt, nur mal als Beispiel. Die dürften in den kommenden Wo chen deutlich an Wert zulegen. Ebenso Kerzen und Feuerzeuge. Lebensmittel sowieso, hier muss ich aber noch das Problem der Lagerung lösen. Alkohol dürfte bald mit Gold aufgewogen werden – schau dir bloß deinen Vater an. Ebenso Zigaretten und Benzin.« Kiefers Augen glühten, als er Bubi von seinen Plänen erzählte und sich selbst schon als Herrn des Dorfes sah, einen Herrn, ohne dessen Einwilligung und Gnade nichts mehr lief. Und früher gab es ja auch noch so wundervolle Traditionen wie das Recht der ersten Nacht. Traditionen sollten gepflegt werden.
    »Ich hoffe von ganzem Herzen, dass der Strom niemals wieder zurückkommt. Oder Telefone funktionieren! Wir müssen eine Zeitlang nur schön brav mitspielen und so tun, als wären wir die Beschützer des Dorfes. In ein oder zwei Wochen sind hier alle dermaßen gar gekocht, dass sie uns aus der Hand fressen, vorausgesetzt, wir haben etwas zu fressen für sie, wenn du verstehst, was ich meine.«
    Bubi verstand. Sehr gut sogar. Bis vor ein paar Minuten hatte er noch geglaubt, dass die Beute aus dem Einbruch letzte Nacht für sie, sozusagen zum Privatverzehr, wäre. Was Kiefer jetzt aber darlegte, ließ Bubis Gehirnwindungen auf Hochtouren laufen. Wenn bald die Nahrungsmittel knapp wurden wäre es ihnen ein Leichtes, ihren Willen durchzusetzen. Außerdem hatten sie ja noch die Waffen, die versteckten und diese hier.
    »Was, wenn jemand auf die Idee kommt und wissen will, was wir ständig in Sattlers Haus zu suchen haben?«, fragte Bubi. Genau dort hatten sie nämlich die Beute aus dem Gasthaus deponiert.
    »Ich werde morgen Roland dazu überreden, uns das Haus − sozusagen als Stützpunkt − zu überlassen. Jedenfalls bis der alte Sattler zurück ist. Klingt sogar logisch, da man von dort oben das ganze Dorf im Blick hat und schon von Weitem sieht, wenn sich aus Bonndorf oder über das Hardt jemand nähert.«
    »Und das alles geschieht mit Baslers Wissen?« Bubi konnte den neuen Ratsvorsitzenden noch immer nicht richtig einschätzen. Er hatte gesehen, wie Kiefer vorhin mit ihm getuschelt hatte, nicht zum ersten Mal übrigens. Irgendwie schien Basler mit in der Sache drinzustecken.
    »Ach was.« Kiefer lächelte und sah zu den Fenstern des Pfarrhauses auf. Hinter einem von ihnen flackerten mehrere Kerzen, Pfarrer Kühne arbeitete an seiner morgigen Predigt. »Basler denkt, er hätte alles im Griff, aber das was er will sind nur kleine Fische. Dem fehlt der Blick für das Große und Ganze, die Fantasie. Ihm ist das Heute wichtig, vielleicht noch das Morgen. Was übermorgen sein kann, dafür fehlt dem die Vorstellungskraft, die wir …«, er stupste Bubi den Lauf des Gewehrs in die Seite, «… die wir aber haben!«
    Es lief. Es lief wirklich gut, musste Bubi voller Bewunderung einsehen.

60
    23:38 Uhr, Feldscheune bei Bonndorf
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    Thomas lag auf einer dünnen Unterlage aus altem Heu. Rechts von ihm lag Eva, Joachim Beck ein Stück weiter vorn, nahe der Tür. Beide schliefen. Thomas konnte nicht schlafen. Der Regen trommelte auf das Dach und tropfte an zwei, drei Stellen in die Scheune.
    Ihm ging

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