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Rattentanz

Titel: Rattentanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Tietz
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nörgelte er. »Zu meiner Zeit …«
    »Da habt ihr alle den Führer gefickt! Wissen wir längst«, unterbrach ihn der Große.
    »Also! Jetzt … ich …«
    »Ganz ruhig, Opa. Nicht, dass du uns hier noch umkippst. Du bist schließlich nicht mehr der Jüngste.«
    »Diese Unverschämtheiten muss ich mir nicht …«
    »Oder willst du auch mal?«
    »Eh, der kann doch nicht mehr. Der und sein Köter, die sind doch schon hinüber – nur zu faul umzufallen.« Die drei brachen in schallendes Gelächter aus.
    Der alte Mann wollte mit hochrotem Kopf noch etwas erwidern. Er besann sich aber eines Besseren, deutete mit seinem Spazierstock eine Drohung an und marschierte im Stechschritt davon. Seinen Dackel zerrte er dabei hinter sich her, sodass dieser im Kiesweg eine brei te Schleifspur hinterließ.
    »Aber der Opa hat recht«, flüsterte das geile Stück. »Hier kann uns jeder sehen, mein Kleiner, und das wollen wir doch nicht. Oder willst du dir dabei zusehen lassen?«
    »He, warum eigentlich nicht? Die beiden treiben’s miteinander und wir kassieren bei den Zuschauern ab.«
    Die Männer lachten und schlugen über Thomas’ Kopf die Hände aneinander. Aber das Mädchen schüttelte den Kopf.
    »Wollen wir nicht lieber hinter zum Pavillon gehen?« Ihre Frage war bloße Rhetorik, denn ohne eine Antwort abzuwarten stieg sie von ihrem Opfer. Dabei streifte ihre Brust seine Wange. Sie forderte ihre Freunde auf, ihn mitzubringen.
    Die Muskelpakete waren an ihre Befehle gewohnt. Sie packten Thomas an den Armen, lachten dabei und folgten dem Mädchen durch den Park. Und die wusste genau, wo sie hin wollte. Sie steuerten einen mit Efeu und Knöterich überwachsenen Pavillon an. Er stand etwas abseits und von dem verwitterten Bauwerk war, selbst wenn man unmittelbar davor stand, nur wenig zu erkennen. Moose und Schlingpflanzen hatten im Verlauf zweier Jahrhunderte ganze Arbeit geleistet und alles mit leuchtendem Grün überwuchert.
    Plötzlich war sie verschwunden.
    »Los«, befahl ihre schrille Stimme. »Kommt rein!«
    Sie stießen Thomas ins Innere des kleinen Baus. Thomas stolperte über zwei Stufen und schlug vor dem Mädchen auf den Steinboden.
    »Dreh dich um«, forderte sie ihn auf und, als er ihrem Befehl Folge geleistet hatte und auf dem Rücken vor ihr ausgestreckt lag, setzte sie ihren Fuß auf Thomas’ Brust. Thomas blinzelte zu ihr auf. Er hatte Angst! Das Mädchen blinzelte aus hellgrünen Augen zurück. Sie hatte rabenschwarze kurze Haare − ihre viel zu hellen Brauen und Wimpern verrieten jedoch, dass sie nur gefärbt waren. Im rechten Nasenflügel trug sie zwei silberne Ringe, die linke Braue war mit einem glänzenden Dorn gepierct und in ihrem ungesund blassen Gesicht tummelten sich etliche Mitesser und zwei reife gelbe Pickel.
    Pickelfresse hat man sie sicher in der Schule genannt, dachte es in Thomas.
    Wenn sie jemals zur Schule gegangen ist, ergänzte Nummer eins aus sicherer Entfernung.
    Pickelfresse trug eine ausgewaschene, knallenge Jeans, Stiefel bis zu den Knien und ein drei Nummern zu großes ärmelloses T-Shirt. Durch die viel zu weiten Armöffnungen waren die Ansätze ihrer Brüs te und blondes Achselhaar zu sehen.
    Sie setzte sich auf seine Brust und als sie spürte, wie sein Brustkorb sich immer schneller hob und senkte, wurde sie feucht. Seine Angst war ihre Lust.
    »Ich glaube fast, unser neuer Freund fürchtet sich.« Ihr gespielt bedauernder Tonfall verstärkte seine Angst.
    Thomas wollte fortlaufen, er wollte heim, zu seinen Eltern, in die gute Stube, zu seiner Geburtstagstorte (Erdbeeren?)! Er wollte weg hier, weg, nur weg! Aber stattdessen war er dieser Irren und ihren Hel fern ausgeliefert und hörte sie lachen, als sie ihm zwischen die Beine griff.
    »Was soll das denn sein?«, kreischte sie. »ICH sitze auf dir und bei dir passiert rein gar nichts?« Absolutes Unverständnis schwang in ih rer Stimme. Unverständnis und der gefährliche Unterton einer abgewiesenen Freier in . Aber selbst ohne die Medikamente, die Thomas damals noch jeden Tag schlucken musste, hätte seine Angst eine Erektion verhindert.
    »Ich glaub, der hat sie nicht alle«, sagte der Große. »Kommt, lasst uns abhauen!« Aber Pickelfresse war eindeutig anderer Meinung. Sie hatte angefangen und sie wollte ein befriedigendes Ende. Für sie befriedigend.
    »Wir werden unserem neuen Freund schon zu einem schönen Stän der verhelfen«, sagte sie. »Schließlich können wir nur so unsere neue Freundschaft gebührend vertiefen.

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