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Rattentanz

Titel: Rattentanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Tietz
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Situation zufrieden, wenn es an dieser etwas auszusetzen gab. Und wenn er den Schuldigen hierfür gefunden hatte. Den Schuldigen. Den gab es immer.
    »Ich werde alles notieren.«

8
    07:28 Uhr, Bundesstraße 27 bei Donaueschingen
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    Auf der Bundesstraße, die Donaueschingen und das angrenzende Hüfingen in eleganter Schleife umkurvte, herrschte morgendlicher Berufsverkehr. Lkw-Kolonnen rollten aus der Schweiz kommend der Autobahn nach Norden zu und umgekehrt quälten sich auf der einspurigen Strecke die Laster Richtung Süden. Dazwischen Pendler.
    Ricarda Schusters Arbeitsweg führte jeden Morgen an Donaueschingen vorbei. Sie arbeitete in der mittelalterlichen Altstadt Villingens in einem kleinen Versicherungsbüro. Sie war sich sicher, heute würde sie keinen einzigen Abschluss, dafür aber zuhauf Reklamationen, Stornos und was sonst noch alles auf den Tisch bekommen. Dieser Tag musste zur Katastrophe werden! Denn beim morgendlichen Duschen ging gegen sieben plötzlich das Licht aus. Zeitgleich versiegte mit heiserem Röcheln das Wasser. Sie stand splitternackt und nass in ihrem fensterlosen Bad und beim Versuch, die Tür zu ertasten, war sie ausgerutscht und mit dem Kinn gegen die Toilette geprallt. Aber nein, das war es noch lange nicht. Wenn ein Tag so richtig gut anfängt, geht er regelmäßig auch so weiter!
    Nichts funktionierte. Kein Licht, kein Wasser, kein Radio, die Kaffeemaschine hatte ohne Strom auch keine Lust, und zu allem Überfluss streikte das Telefon ebenfalls. Aber wenigstens sprang der kleine Volkswagen an, das Radio aber nicht. Sie legte eine CD ein. Eminem war jetzt genau richtig!
    In der Stadt herrschte ein mittelstarkes Chaos, keine einzige Ampel funktionierte. Sie glotzten mit schwarzen toten Augen blöde auf den zunehmenden Verkehr.
    Irgendwie hatte sie es geschafft, die Stadt heil zu durchqueren und sich in den Fahrzeugstrom Richtung Villingen einzusortieren. Während der Fahrt versuchte sie eine SMS zu verschicken, Eminem schimpfte mit dröhnenden Bässen über die Welt und seine Mutter und der Lkw-Fahrer vor ihr, der auf der Suche nach einem funktionierenden CB-Funkkanal den Verkehr einen Moment unbeachtet gelassen hatte und fast in den Gegenverkehr gerast wäre, vollführte plötzlich eine Vollbremsung. Ricarda, die Augen fest auf ihr ultraflaches Handy gerichtet, raste ungebremst in den Truck. Sie sah noch aus dem Augenwinkel die fröhlich flatternde Plane mit der Aufschrift Gut versichert? und begann sich gerade die Telefonnummer darunter einzuprägen, als der ihr folgende Transporter ihren alten VW unter den Laster rammte. Dann ging für sie die Sonne viel zu früh unter. Ricarda Schuster brach sich beide Beine, vier Rippen, einen Halswirbel und den kleinen Finger. Eine Rippe hatte sich in ihre Lunge gebohrt und aus einer klaffenden Wunde am Kopf blutete sie stark. Vier Männer versuchten vergebens, sie aus dem eingekeilten Wagen zu ziehen, während andere sich erfolglos bemühten, Polizei, Rettungsdienst und Feuerwehr zu erreichen. Wäre der Unfall eine Stunde früher passiert, hätte sich reibungslos eine eingespielte Rettungsmaschinerie in Gang gesetzt. Notärzte hätten die Blutungen gestillt und Feuerwehrmänner die Frau aus dem VW herausgeschnitten. Polizisten hätten den Verkehr um die Unfallstelle herumgeleitet und ein Rettungshubschrauber Ricarda schließlich in die nächste Klinik geflogen.
    Um 7:28 Uhr aber verblutete Ricarda Schuster, ohne noch einmal die Augen zu öffnen. Der Verkehr staute sich schnell in beide Richtungen und Dutzende hilflose Männer und Frauen sahen ihr beim Sterben zu.

9
    7:45 Uhr, Krankenhaus Donaueschingen, Intensivstation
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    Mit sichtlicher Anstrengung wuchtete Peter Tröndle die eigentlich automatisch öffnende, zweiflügelige Glastür zur Intensivstation auf. Tröndle war Verwaltungsleiter und Verzweiflung und Entsetzen standen ihm ins Gesicht geschrieben.
    »Nichts«, keuchte er, »nichts funktioniert mehr.« Er ließ sich auf einen quietschenden Bürostuhl fallen.
    »Stimmt«, kam es tonlos von Stiller. Der Assistenzarzt starrte seit Minuten auf seinen flachen, kaum zigarrenkistengroßen Westentaschencomputer. Der Monitor starrte mit schwarzem Auge zurück. Der Computer war völlig normal angesprungen, als aber das Betriebssys tem hochgefahren war, zitterte plötzlich das kleine Bild, ein kurzer Moment, in dem sich unaufgefordert sämtliche vorhandenen Dateien öffneten und wieder schlossen. Dann war Funkstille.
    Das war für Stiller zu

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