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Rattentanz

Titel: Rattentanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Tietz
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gefreut?«
    »Gefreut?«
    »Über den Wein. Ihr habt euch doch noch einen netten Abend gemacht gestern. Oder etwa nicht?«
    Faust lächelte schuldbewusst. »Leider nicht. Sie schlief schon, als ich heimkam und wecken wollte ich sie auch nicht«, log er.
    Die Männer saßen eine Weile nebeneinander und beobachteten die Menschen, die sich langsam, fast widerwillig, zerstreuten und ihren Häusern und Wohnungen zustrebten. Viele nickten ihnen zum Abschied zu, mit einigen wechselten sie ein paar belanglose Worte. Schließ lich waren sie allein.
    »Hast du dir was wegen des Waschplatzes überlegt?«, fragte Eisele.
    »Oh Mist«, Faust schlug sich gegen die Stirn, »das wollte ich nach dem Gottesdienst sagen, es waren ja fast alle versammelt!«
    »Mach dir nichts draus. Wir stellen einfach ein paar Schilder am Bach auf, dass Wäsche ab sofort am Ortsausgang gewaschen werden muss.« Faust brummte eine Zustimmung. »Hat Assauer schon gesagt, ob er hierbleiben will?« Faust schüttelte den Kopf. »Und dieser Thomas?«
    »Auch nicht. Aber für ihn muss wahrscheinlich sowieso Eva sprechen und die ist bei dem Verletzten im Pfarrhaus.«
    Eisele holte zwei kleine Fläschchen Kräuterlikör aus der Tasche und reichte Faust eine davon.
    »Danke«, strahlte Faust. Sie prosteten sich zu. »Der wird ja wohl nichts dagegen haben«, scherzte er mit einem Blick auf die Kirche.
    »Stimmt es«, wollte Eisele wissen, »dass sie in Bonndorf daran arbeiten, die Windkraftanlage direkt mit dem Stromnetz der Stadt zu verbinden?«
    »Ich weiß nichts davon«, antwortete Faust. »Allerdings hatte ich seit Mittwoch keine Gelegenheit mehr, Neuigkeiten aus Bonndorf zu erfahren. Vorstellbar aber wäre es. Sie haben einige Elektriker drüben und Stadler hat schon als Kind die unmöglichsten Konstruktionen erfunden, die manchmal sogar funktionierten.«
    »Wir haben ebenfalls ein Windrad.«
    »Ich weiß. Und?«
    »Sollten wir nicht ebenfalls versuchen, den Strom für unser Dorf selbst zu erzeugen?«, fragte Eisele.
    »Hast du einen Elektriker?«, antwortete Faust mit einer Gegenfrage. Bedauernd betrachtete er die leere Flasche und warf sie schließlich in einen Abfallkorb neben der Bank. »Momentan ist niemand im Ort, der sich damit auskennt.«
    »Glaubst du, die werden uns helfen, wenn wir fragen?«
    »Die Bonndorfer?«
    Eisele nickte.
    »Vorstellbar. Bis vor ein paar Tagen wäre es jedenfalls kein Problem gewesen. Wir können den Punkt ja beim nächsten Mal im Rat besprechen, vielleicht fällt den anderen dazu noch was ein.«
    »Schade, dass Evas Mann nicht hier ist. Er wüsste bestimmt einen Rat.«
    Fausts Augen verfolgten einen Reiher, den etwas vom nahen Bach aufgeschreckt hatte und der nach Norden davonflog.
    »Was meinst du, wird Hans versuchen, zu Fuß zu seiner Familie zurückzukommen?«
    »Bestimmt!«
    »Von Schweden aus?«
    »So wie ich meinen Nachbarn kenne«, antwortete Faust, »würde er auch aus Argentinien einen Weg zurückfinden! Er ist bestimmt schon unterwegs. Aber bis er wieder hier ist müssen wir uns um seine Frauen kümmern, er würde das Gleiche für uns tun.«
    »Was, wenn er nie wieder zurückkehrt?«
    »Was schon, wir werden auf Eva und Lea aufpassen. Der Rest wird sich finden.«
    Der Rest wird sich finden. Fausts Worte waren Spiegel seines sto i schen Optimismus. Wozu heute über Problemen brüten, die, wenn überhaupt, erst irgendwann in der Zukunft aktuell sein könnten? In der Zukunft.
    »Glaubst du, dass die Lichter bald wieder angehen?«, fragte Eisele. Faust zögerte, dann zeigte er aufs Windrad, dessen Rotorblätter sich langsam und sinnlos über dem Dorf drehten. »Wenn wir jemanden auftreiben können, der sich damit auskennt, bestimmt.«
    »Vielleicht einer aus Bonndorf, vielleicht ein Durchreisender.«
    Sie blieben noch eine Weile nebeneinander sitzen, dann erhob sich Faust nach einem Blick auf die Uhr. »Muss heim. Susanne wird sicher schon mit dem Essen warten.«
    »Was gibt’s bei euch?«
    »Keine Ahnung. Tütensuppe vielleicht, wenn sie das Feuer anbekommen hat.«
    »Ein richtig feudales Sonntagsessen also! Und das am Montag!«
    Sie lachten, verabredeten sich für den Abend zur Sitzung und verließen den Kirchplatz in entgegengesetzte Richtungen.
    Als Faust am Pfarrhaus vorbeikam, fand er Eva, die vor dem Haus auf einer kleinen Bank saß. Ihm fiel auf, wie müde sie aussah. Aber wahrscheinlich bin ich auch kein sonderlich erfrischender Anblick, überlegte er. Neben ihr saßen Eckard Assauer und Thomas

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