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Rattentanz

Titel: Rattentanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Tietz
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jetzt ungenutzt verstreichen ließe, wäre er ein noch größerer Idiot als dieser Fuchs oder Bubi oder all diese Schwachköpfe zusammen. Eva war allein, Seger lebte hoffentlich schon nicht mehr und es galten weit und breit nur noch die Gesetze, die man selbst proklamierte. Jetzt zu zaudern hieße verlieren, er aber wollte kein Verlierer sein!
    Er überlegte, was es eigentlich war, das ihn so stark mit Eva verband, dass er für sein Ziel sogar bereit war, das eigene Leben zu riskieren. Liebe? Er fror und Regen tropfte von den Zweigen über ihm direkt auf Kiefers Kopf und Schultern. Trotzdem musste er lächeln, als die Frage nach Liebe in ihm auftauchte. Es war ein bitteres, ein zynisches Lächeln. Nein, er liebte Eva nicht. Wahrscheinlich hatte er sie noch nie richtig geliebt. Aber es hatte trotzdem einmal eine Zeit gegeben, da war sie seine Frau und sie war es heute noch immer! Und keinem Mann der Welt stand das Recht zu, sich an der Frau eines anderen zu vergreifen. Einen anderen Mann zu bestehlen. Die Frage nach dem Grund seiner Bindung an Eva war mit Bestimmtheit viel-schichtiger, das leuchtete selbst ihm ein, ihm, der doch nur noch dieses eine Wort denken konnte, nur diese drei verfluchten Buchstaben. Seger hatte ihn bestohlen und Eva hatte zugelassen, dass sie seine Beute wurde. An den Hals geworfen hatte sie sich ihm geradezu, war zu ihm gerannt wie eine läufige Hündin. Und sie hatte seinen Balg empfangen als ob es ihn, Martin Kiefer, niemals gegeben habe. Plötzlich stand Hermann Fuchs hinter der Bank. Lautlos, wie sein Namensvetter, hatte er Kiefer verfolgt. Er war Kiefer jetzt so nahe, dass er nur die Hand ausstrecken brauchte, um ihn zu berühren. Er konnte Kiefer atmen hören, hörte die Regentropfen, die auf dessen Jacke fielen und roch dessen aufdringliches Deodorant. Fuchs erinnerte sich an Kiefers Gesichtsausdruck, damals oben auf dem Hardt, als er ihm das Geld abgenommen hatte. Er erinnerte sich an seine Entdeckung und an Martin Kiefers sadistische Freude, während Fuchs sein eigenes Grab ausheben musste. Wäre Bubi nicht gewesen …
    Nur die Hände ausstrecken und dem Widerling um den Hals legen. Oder den Stock, den er in der Hand hielt, benutzen. Es wäre ganz einfach. Kiefer hatte sicher den Schlüssel zu dem Bauernhaus einstecken, dem Haus, in dem sich nicht nur sein Geld, sondern auch Nahrung befand. Ganz einfach.
    Aber Fuchs widerstand dem Lockruf. Die Versuchung über Kiefer herzufallen war zwar groß, aber nicht groß genug. Schwerer wog die Hoffnung auf das neue Leben, von dem Martin Kiefer letzte Nacht gesprochen hatte. Sollte der Plan aufgehen, diese Krankenschwester zu entführen, dann standen ihm alle Tore dieser neuen Welt offen. Dieser unscheinbare Mann auf der Bank, der nach Schweiß und Schlaf stank, hatte eine Vision. Und er hatte die Kraft, diese Vision in die Tat umzusetzen. Zwei nicht unwesentliche Voraussetzungen, über die er selbst nicht verfügte. Fuchs war zwar nicht der Hellste, aber er war schlau genug um erkennen zu können, wenn ihm jemand überlegen war. Kiefer war ihm überlegen und wenn es für Menschen wie Fuchs einen Platz gab, der Reichtum und Macht versprach, dann an der Seite solcher Männer wie Martin Kiefer. Männern mit Visionen. Fuchs schlich in die Anonymität des Waldes zurück und brach wenige Sekunden später einige Meter weiter rechts bewusst geräuschvoll aus dem Unterholz. Als er Kiefer sah, tat er erschrocken und überließ dem anderen gern den Triumph des Besseren. Kiefer hatte Fuchs gestellt und dies war gut so, glaubte Fuchs. Zusammen gingen sie die letzten Meter bis zu Sattlers Haus. Bubi wartete bereits. Sie gingen in die Küche, Kiefer kontrollierte die Vorhänge, dann entzündete er eine Kerze. Schließlich warf er Fuchs die Plastiktüte vor die Füße.
    »Hier. Zieh dir etwas Gescheites an. Aber wasch dich vorher. Du stinkst wie ein Riesenhaufen Katzenscheiße!«
    Bubi zeigte Fuchs ein Wasserfass im Garten hinter dem Haus. Fuchs schrubbte den Dreck der letzten drei Wochen von seinem Körper.
    »Seit wann trägst du den Bart?«, fragte ihn Kiefer.
    »Schon immer.«
    »Eva, also die Krankenschwester, kennt dich demnach nur mit Bart?« Fuchs nickte. »Dann rasier ihn ab. Wenn du willst, kannst du ei nen Schnauzer stehen lassen, aber der Rest muss weg. Wenn das erledigt ist, schneidet Bubi dir noch die Haare.«
    Zwanzig Minuten später saß ein Mann mit Kiefer und Bubi am Tisch, den selbst sie nur mit Mühe als Hermann Fuchs wiedererkann ten. Er

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