Rattentanz
spielte den Besorgten. »Ist etwas mit meinem Vater?«
Aber Basler beachtete ihn nicht weiter. »Zeigt ihm Sattlers Haus. Und sag ihm, was er wissen muss. Mir ist kalt.«
»Und wie lang kann er bleiben?«, fragte Bubi.
»Was weiß ich. Heute und morgen erst mal. Dann sehen wir weiter«, und ohne einen Gruß schloss er die Tür und lag wenige Augenblicke später wieder in seinem Bett und erzählte seiner Frau die Neuigkeit.
»Georg Sattler hat einen unehelichen Sohn?!«
Sie brachten Fuchs zurück zu Sattlers Haus. Bubi führte Fuchs in die Küche. Dort hatte Georg Sattler gestanden und ihn und Kiefer für die Fahrt ins Krankenhaus bezahlt, für seine letzte Reise. Die neue Welt und seine neue Aufgabe hatten Bubi seither ablenken können und in den wenigen Momenten der Reue, die meist wie ein Blitz aus heiterem Himmel beim Einschlafen oder in Form eines Traumes über ihn herfielen, hatte er ihr Tun immer irgendwie rechtfertigen können. Es waren nun einmal andere Zeiten. Eine Ära des Egoismus hatte begonnen, so Kiefer. Und die hohe Zeit der Verachteten, Geschundenen und Benachteiligten. Georg Sattler war ein erstes Opfer, eine erste Opfergabe für diese Ära. Ein erster Stein im Mosaik ihrer besseren Zukunft.
»Bleib erst mal hier«, sagte Kiefer. »Basler und seine Frau werden dafür sorgen, dass sich die Sensation bis zum Abend im Ort herumgesprochen hat. Bubi kommt so gegen fünf. Er nimmt dich mit und stellt dich seiner Mutter vor. Und Eva Seger.«
Bubi wollte schon gehen, machte aber an der Schwelle noch einmal kehrt. Er hielt Fuchs die Mündung seiner Waffe ans Kinn. »Du wirst auch Lea kennenlernen. Lea ist Evas Tochter. Sollte der Kleinen auch nur ein Haar gekrümmt werden, wirst du dafür bezahlen! Hast du mich verstanden?«
Fuchs nickte. Natürlich hatte er verstanden. Er hatte sofort und sehr gut verstanden, auch die Worte hinter den Worten. Jeder Mensch hat einen schwachen Punkt und dieses Kind war offensichtlich Bubis Achil lesferse. Gut zu wissen.
Alles verlief nach Kiefers Plan. Basler (man hatte ihn Bürgermeister genannt!) sorgte tatsächlich dafür, dass bis zum Abend fast jeder im Dorf von der Ankunft des unbekannten Sohnes erfuhr. Nach einem gehaltvollen Frühstück ging er von Tür zu Tür und überbrachte die Neuigkeit. Konnte es einen besseren Anlass geben, jeden Einzelnen ge zielt anzusprechen und so auch die anstehende Neuwahl des Rates vorzubereiten? Sicher, er hatte gestern eine empfindliche Niederlage bei der Abstimmung im Gasthaus hinnehmen müssen, aber dies durf te kein Grund sein, aufzugeben. Ein Roland Basler gibt nicht auf, das hatte Rike gestern Abend mehr als einmal zu ihm gesagt. Es gab schließ lich auch keine Alternative zur Arbeit im Rat. Sollte man ihn irgendwann absetzen, waren die schönen Zeiten vorbei, bevor sie richtig angefangen hatten. Er hatte gestern Abend noch lange mit seiner Frau zusammengesessen. Im Nachhinein hätte er sich am liebsten geohrfeigt – so einfach die Zusammenkunft bei der alten Teufel zu verlassen und Eisele und diesem Assauer das Feld zu überlassen. Dass dies kein guter Entschluss war, hatte sich noch am selben Abend bestätigt. Beide, Assauer und Eisele, waren spätabends noch zu ihm gekommen und hatten etwas von Neuorganisation, Windrad und Vorräten für den Winter gefaselt. Als ob dieser Zustand bis zum Winter anhalten konnte! Ein hal bes Jahr war bis dahin noch Zeit, ein halbes Jahr, in dem die Regierung die Sache schon in den Griff bekommen würde. Aber bis dahin wollte er, auch wenn es noch den einen oder anderen Rückschlag gab, seine Position hier so weit gefestigt haben, dass er schließlich als Retter in diesen schweren Zeiten dastand. Wenn alles wieder normal war, sollten sie immer im Gedächtnis behalten, dass es Roland Basler, ihr Bürgermeister in der schweren Zeit, gewesen war, der sie gerettet hat te. Mit diesen Lorbeeren auf dem Kopf, meinte Rike, wäre die Zukunft dann ein Kinderspiel.
Basler sprach mit fast allen: zuerst ging er zum Pfarrer. Er, seine Haushälterin und dieser Verrückte aus Donaueschingen saßen beim Frühstück (Haferschleim, eine Handvoll Erdbeeren und Melissentee), als er ihnen die Neuigkeit überbrachte. Nebenher streute er ein, dass er Christoph Eisele und Eckard Assauer beauftragt hatte, einen Plan für die Nutzung des Windrades zu entwickeln.
Danach ging er ins Gasthaus Krone, zu Berthold Winterhalder.
»Ist es nicht ein gutes Zeichen«, sagte er, »dass es jemanden zu uns nach Wellendingen
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