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Rattentanz

Titel: Rattentanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Tietz
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hatte seinen Bart komplett abgenommen und Bubi ihm die schulterlangen, verfilzten Haare auf ein paar Zentimeter Länge gestutzt. Er trug eine verwaschene, aber saubere Jeans, einen leichten Pullover und über der Lehne seines Stuhles hing eine Lederjacke. Er trug frische Unterwäsche, saubere Socken und eine Nummer zu große Turnschuhe.
    »Perfekt!« Kiefers Augen strahlten. Er ging zum Küchenschrank, nahm einen eingeschweißten Käse und eine halbe Salami heraus und warf beides, zusammen mit einem Messer, vor Fuchs auf den Tisch. Und Bubi brachte drei Flaschen Bier aus dem Keller! Fuchs stürzte sich auf das Festmahl. Er schlang so schnell und so viel er nur konnte. Aber schon nach wenigen Bissen hielt er im Kauen inne. Er wurde weiß wie das Bettlaken einer Nonne, sprang auf, rannte hinaus in die Nacht und übergab sich.
    »Röhrt wie ein Hirsch, der alte Fuchs«, amüsierte sich Kiefer. In den frühen Morgenstunden dieses 12. Juni brachte Bubi Hermann Fuchs nach Wellendingen. Sie hatten lange über das Wie und ein begründetes Warum diskutiert, eine Geschichte, die Fuchs einen plausiblen Grund gab, nach Wellendingen zu kommen und dort auch zu bleiben. Schließlich hatte Kiefer den rettenden Einfall. Kiefer, Bubi und Fuchs gingen ohne Umwege zu Roland Basler und klopften an dessen Tür. Nach Minuten hörten sie seine verschlafene Stimme.
    »Ja.«
    »Ich bin’s. Bubi.« Der Schlüssel wurde umgedreht und die Tür öffnete sich einen Spaltbreit, nur wenige Zentimeter, mehr ließ die Vorhängekette nicht zu.
    »Was willst du? Weißt du nicht, wie spät es ist?« Im Innern des Hauses war Rikes Silhouette zu erkennen.
    »Wenn es nicht wichtig wäre, hätte ich dich nicht geweckt.« Bubi zog Fuchs zu sich heran, sodass ihn nun auch Basler sehen konnte.
    »Hier«, sagte er und zielte weiter mit seiner schussbereiten Waffe auf Hermann Fuchs, »den haben wir heute Nacht am Ortsrand aufgegriffen. Sagt, er sei Georg Sattlers Sohn!«
    »Ein Sohn vom alten Sattler?« Basler betrachtete Fuchs von oben bis unten. Dann schüttelte er den Kopf. »Sattler hat seit eh und je allein gelebt. Keiner hier weiß etwas von einer Frau, geschweige denn von Kindern!«
    »Ist auch ein paar Jahre her.« Fuchs’ Einsatz hatten sie genau geplant. Kiefer hatte ihn diesen Auftritt drei Mal in ihrem Versteck üben lassen. Alles, nicht nur Fuchs’ Zukunft − nein, auch Bubis Glaubwürdigkeit, vor allem aber Kiefers Pläne − hingen von diesem kurzen Moment jetzt ab. Konnte Fuchs Roland Basler überzeugen, lag Eva fast schon in dem für sie vorbereiteten Zimmer.
    »Ich heiße Fuchs. Hermann Fuchs. Meine Mutter, Luise Fuchs, erzählte mir erst letzte Woche, kurz vor ihrem Tod, von meinem richtigen Vater. Und dass er hier in Wellendingen lebt.«
    »Wo kommen Sie her?«
    »Waldshut.«
    »Und wieso wissen wir nichts von diesem Kind? Sattler hat nie et was erwähnt.«
    »Er weiß es selbst noch nicht. Sie haben sich auf einem Fest hier in der Nähe kennengelernt und nach dieser einen Nacht nie wieder etwas voneinander gehört. Mein Vater weiß nicht, dass es mich gibt und wä re die Katastrophe nicht gekommen, hätten ich und er es wahrschein lich niemals erfahren. Sehen Sie«, er zog unter den scheinbar wachsamen Augen seines Aufsehers sein Portemonnaie hervor und entnahm ihm ein vergilbtes Foto. Es war die einzige Erinnerung an seine leibliche Mutter. »Sehen Sie.« Er hielt Basler das Foto unter die Nase. Seine Finger zitterten. »Meine Mutter. Und ich auf ihrem Arm. Das ist über fünfzig Jahre her. Wenn ich meinem Vater das Bild zeige, wird er Mutter erkennen und sich erinnern.« Fuchs verstaute das Bild behutsam. Er behandelte es wie ein Heiligtum.
    »Ihr habt ihn aber ganz schön hart angefasst«, sagte Basler. Martin Kiefer hatte Fuchs zum Abschied die Faust ins Gesicht geschlagen und ihn in den Dreck geworfen. Ein bisschen Dreck und ein wenig Blut passen besser in diese Zeit, hatte er dazu gesagt. Außerdem wirkt es so glaubwürdiger.
    »Er wollte sich nicht festnehmen lassen«, entgegnete Kiefer. Basler zog den Bademantelgürtel fester. Dass er fror und lieber wieder zurück zu Rike und in sein warmes Bett wollte, war offensichtlich. Und Teil ihres Planes.
    »Kann ich jetzt zu meinem Vater? Ihre Soldaten hier sagten, Sie wären hier der Bürgermeister und nur Sie können das entscheiden.«
    »Ihr habt es ihm nicht gesagt?«
    Bubi zuckte mit den Schultern. Wieso ich, konnte das heißen. Du bist doch der Chef.
    »Was nicht gesagt?« Fuchs

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