Rattentanz
die Zeit im Stall gut genutzt.
Fuchs kannte inzwischen die Ordnung dieser chaotischen Zeiten hier im Dorf recht gut. Er wusste fast auf die Minute ge nau, wann wer mit wem im Stall erschien, wusste, wer zu wem gehör te und wer wiederum wen nicht sonderlich leiden konnte. Er erkannte die Hierarchien und versteckten Vorlieben und Antipathien. Und unauffällig, wie er sich verhielt, hatte er in den vergangenen Tagen das eine oder andere Gespräch belauschen können. Fuchs wuss te nun, wie Wellendingen und seine Menschen funktionierten. Und er kannte sich auch auf dem Hof wie in der eigenen Hosentasche aus. Kiefers Schutztrupp gehörte seit vorgestern nun auch Jürgen Mettmüller an, auch deshalb drängte es Kiefer und Fuchs zur Eile. Mit Mett müller an ihrer Seite konnten sie nun nicht mehr mir nichts, dir nichts die Nächte bei Kerzenschein und einem gedeckten Tisch verbringen. Auch mussten sie sich einen triftigen Grund einfallen lassen, wollten sie in ihrer Dienstzeit Fuchs einen privaten Besuch abstatten. Bubi bedrängte Hermann Fuchs, wollte alles ganz genau wissen. Aber Fuchs hielt die Klappe. Es war nicht sonderlich schwer, den Zwiespalt, in dem der Junge steckte, zu erkennen. Selbst Fuchs, dessen Menschenkenntnis sich auf seinesgleichen beschränkte, spürte, dass Bubi auf einem Drahtseil balancierte und es war längst nicht ausgemacht, auf welcher Seite er aufkommen würde, sollte er abstürzen. Fuchs hielt das Risiko, Bubi einzuweihen und zum Mitwisser seiner Pläne zu machen, für deutlich zu groß. Er wollte die Sache allein durch ziehen, wahrscheinlich am nächsten oder übernächsten Tag. So lange konnte Kiefer ja wohl noch warten, umso größer wäre dann die Freude über Fuchs’ Geschenk!
Fuchs hatte hinter dem Stall, wo der Fuhrpark der unnützen Traktoren, Anhänger, Aussaat-und Erntemaschinen, Pflüge und Eggen lagerte, einen vergessenen Keller entdeckt. Den mit Koppelpfählen und Brettern zugestellten Eingang hatte er heimlich so präpariert, dass er zügig hindurchschlüpfen, in den Keller gehen und die Tür hinter sich (und Eva) zuziehen konnte, ohne dass von außen jemand Verdacht schöpfte. Denn nur, wer von diesem Keller und seinem Zugang wusste und nur der, der unmittelbar vor der verwitterten Holztür mit dem von Fuchs aufgebrochenem Riegel stand, konnte auf die Idee kommen, diese Tür zu öffnen. Und wer sollte das sein? Fuchs’ Plan war einfach, genial einfach, freute er sich. Wenn Eva am Abend in den Stall kam, war dieser fast menschenleer. Vom Haus gegenüber, in dem sie wohnte, sah er, wie der Irre und Evas Tochter mit den Tieren von den Weiden zurückkamen. Kurz darauf erschien sie, nahm ihre Kleine in den Arm, schickte sie nach Hause und begann mit ihrer Arbeit. Wer sonst noch Interesse an einer Kanne Milch hatte – und das waren nicht wenige –, erschien meist später. Eva befand sich fast jeden Abend mindestens für zehn Minuten allein im Stall, allein, wenn er von sich selbst und der Bäuerin absah. Doch Lydia Albicker hatte anderes zu tun und Fuchs musste schließlich im Stall sein. Auf einem der Balken hatte er gestern Abend einen Knüppel deponiert – einen abgebrochenen Schaufelstiel, der gut in der Hand lag und mit dem Fuchs auf den Zentimeter genau zuschlagen konnte; er hatte es an zwei Katzen ausprobiert, von denen der Hof einen schier unerschöpflichen Vorrat bot. Die beiden Viecher lagen jetzt irgendwo unter dem Mist. Er durfte nur nicht zu fest zuschlagen, Kiefer hätte sonst mit dem Ergebnis wahrscheinlich so seine Probleme. Aber ein Hermann Fuchs war nicht dumm. Das eine Ende des Knüppels hatte er mit einem Lappen umwickelt, der den Schlag auf Evas Kopf etwas abmildern sollte. War das erledigt, wollte er sie in den Keller schleppen und mit den dort bereitliegenden Seilen fesseln und knebeln. Und zurück an seine Ar beit gehen. Diesen Teil seines Planes fand er den cleversten. Genau das war das richtige Wort: clever. Kiefer musste erkennen, dass ein Mann, der einen solchen Plan aushecken und im Alleingang umsetzen konnte, mehr war als nur ein Penner auf der Suche nach zwanzigtausend Euro. Fuchs wollte weiterarbeiten.
Irgendwann, hoffentlich erst nach Einbruch der Dunkelheit, würde irgendjemand das Weib vermissen. Mit etwas Glück fiel der Verdacht auf die Bonndorfer, schließlich war Bonn dorf die größte Siedlung im weiten Umkreis. Und somit war die Wahrscheinlichkeit, dass der Täter dort zu finden war, recht groß. Die anschließende Suche würde sich dann
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