Rattentanz
auf die Feldwege dorthin konzentrieren. Fuchs rechnete auch damit, dass Kiefer und Bubi nach Bekanntwerden von Evas Verschwinden umgehend zu ihm kommen wür den. Als Einzigen dürfte den beiden sofort klar sein, dass Fuchs hin ter dem Ganzen steckte. Aber das war gut so, denn jetzt erst, und keine Minute früher, wollte Fuchs seinen Auftraggeber einweihen. Kiefer und Bubi sollten dafür sorgen, dass die Suche vom Stall und Georg Sattlers Haus wegführte. Und waren die Suchenden erst einmal unterwegs, konnte Hermann Fuchs in aller Seelenruhe das Päckchen aus dem Keller holen und im Schutz der Nacht in das gemeinsame Versteck und zu seinem Empfänger schleppen.
Fuchs stach einer besonders störrischen Kuh die Mistgabel in die Flanke und trieb sie aus dem Weg. Er lächelte. Dann steckte er die Mistgabel zuoberst in die übervolle Karre, aber statt sie aus dem Stall nach hinten zum Misthaufen zu schieben, ließ er sie stehen und ging nach vorn zur Straße. Beiläufig, die Hände in den Hosentaschen, woll te er eine kleine Verschnaufpause simulieren und nach den Rechten zu sehen. Als er aus dem Stall trat, stand wie aus dem Boden gewachsen der Irre vor ihm.
Thomas, unterwegs von Hildegund Teufels Totenlager zu seinen Tieren, erstarrte. Seine Augen weiteten sich und er war unfähig, Fuchs’ gemurmelten Gruß zu erwidern. Auch als Fuchs im Stall verschwand, blieb Thomas stehen. Er hatte den Teufel gesehen, die Augen des Teufels!
»Gottverfluchte Scheiße, elende!« Fuchs packte die Mistkarre und rannte durch das hintere Tor aus dem Stall. Voller Zorn warf er den Mist von der Karre. Wieso bin ich aus dem Stall getreten?, schalt er sich. Der Irre, dem er bisher erfolgreich aus dem Weg gehen konnte, hatte etwas erkannt, hatte ihn erkannt!
Hatte er ihn wirklich erkannt?
Natürlich! Wie der die verrückten Augen aufgerissen hat! Das tut man nur, wenn man etwas erkennt! Und davor erschrickt!
Und jetzt?
Fuchs ließ die Karre neben dem Misthaufen stehen und schlich sich zurück. Der Irre, dem er bei seinem Kampf mit dem Polizisten so nahe war, stand noch immer da. Aber warum unternimmt er nichts, wenn er mich doch erkannt hat?, fragte sich Fuchs. Er blieb an einen Balken gelehnt im Schatten stehen und wartete. Aber nichts geschah. Thomas Bachmann stand wie erfroren vor dem Stall und lauschte in sich hinein als könne er dort eine Wahrheit oder eine Erkenntnis finden. Genau das, wusste Fuchs, waren die verdammten Zufälle, die alle Plä ne zum Scheitern bringen konnten. Sein ganzer schöner Plan war umsonst, wenn diese verrückte Missgeburt ihn erkannt hatte. Am liebs ten wäre er mit der Mistgabel in der Hand nach draußen gerannt und hätte ihn aufgespießt.
»Hast du mich erkannt?«, flüsterte er aus seinem Versteck heraus.
»Weißt du, wer ich bin?« Er kratzte an seiner Narbe, die plötzlich wieder juckte. Thomas hatte daneben gestanden, als der Polizist auf Fuchs geschossen hatte. Der Irre hatte alles gesehen. Aber genau wie damals, schien er auch jetzt paralysiert und unfähig zu einer eigenen Handlung. Beim Kampf gegen den Bullen, den er, wie er hier mit Genugtuung erfahren durfte, in den grünen Bullenhimmel geschickt hatte, hatte der Irre nichts unternommen, obwohl er lange genug Gelegenheit dazu hatte. Sollte er aber in seinem Irrgarten im Kopf eins und eins zusammenzählen und den Mund aufmachen, war Fuchs geliefert, soviel war klar. Dann musste er nicht nur vor den Gestalten hier, sondern zu allem Überfluss auch noch vor Kiefer abhauen. So in die Sorge um seine Pläne und Zukunft vertieft, bemerkte er weder Eva noch Lea, die aus ihrem Haus herüberkamen.
»Thomas«, rief Lea und sprang wie ein junger Hund an ihrem Freund hoch. »Komm, wir müssen melken helfen.«
Thomas erwachte aus seiner Erstarrung. Er streichelte Lea, zog etwas aus seiner Hose und zeigte dem Kind eine kleine Dose. Dann legte er den Zeigefinger auf seinen Mund und Lea nickte ernst. Fürs Erste beruhigt, verließ Fuchs sein Versteck. Der Irre hatte ihn offensichtlich nicht erkannt! Aber er hatte ihn gesehen, ihm tief in die Augen geblickt und Fuchs war nicht entgangen, dass da irgendetwas war. Der Verrückte hatte etwas entdeckt, aber wusste im Moment wohl noch nichts mit seiner Entdeckung anzufangen. Irgendetwas an Fuchs irritierte ihn, soviel war klar. Im Moment schien er den Mann vom Hardt und Georg Sattlers unbekannten Sohn noch nicht in Verbindung zu bringen. Vielleicht würde es dieser kranke Geist nie schaffen, vielleicht würde
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