Rattentanz
Abwechselnd sah er zu Fuchs, zu Bubi und zum Fenster hinaus. Jetzt war der Moment also gekommen! Eva war nun wieder sein. Er überlegte, wie er mit ihr unauffällig nach Bonndorf und in sein Haus kommen konnte. In Bonndorf kannte man sie natürlich und es würde mit Sicherheit dumme Fragen aufwerfen, wenn sie plötzlich mit ihrem Ex und ohne Kind anmarschiert käme. Aber im Schutz der Nacht wird sich schon etwas machen lassen. Noch ein Schluck Milch. Und was wird mit Bubi und diesem Fuchs? Sie erwarten bestimmt, dass ich meinen Worten nun auch Taten folgen lasse und sie ins gelobte Land – sprich eine Welt, in der sie einmal die Herrscher sind –
führe. Wenn diese armen Trottel wüssten, dachte Kiefer. Wenn sie wüssten, dass es nur um Eva geht und um nichts weiter. Eva musste in die geheimen Zimmer seines Reihenhauses und dann wollte er dort mit ihr ein paar Tage allein sein. Über ein Danach hatte er sich bisher keinerlei Gedanken gemacht. Denn nach dieser Tat gab es wahrschein lich kein Danach mehr, so einfach war das.
»Dann können wir heute Nacht verschwinden!« Bubi hielt es kaum noch auf seinem Stuhl.
Ich muss die beiden Idioten loswerden, dachte Kiefer. Aber wie?
»Ihr Verschwinden wird man wahrscheinlich bald bemerken«, sagte Fuchs.
Wie um seine Worte zu unterstreichen, flog die Tür ein weiteres Mal auf und Eckard Assauer kam herein. »Schnell«, rief er und hielt die Tür offen. »Eva Seger ist verschwunden! Kommt schnell zum Stall!«, und schon war er wieder weg. Hermann Fuchs, der mit dem Rücken zur Tür saß, erkannte er nicht.
Kiefer griff seine an der Wand lehnende Waffe und erhob sich.
»Du«, sagte er zu Fuchs, »du siehst zu, dass du unauffällig zu Eva kommst. Bleib bei ihr und beschütze sie. Verstehst du? Beschütze sie!
Wenn ihr etwas passiert, mache ich dich dafür verantwortlich! Wir versuchen, die Suche nach Eva in die Wälder zu verlagern. Sobald uns das gelungen ist, komme ich zu dir.« Fuchs beschrieb Kiefer die Lage des Verstecks. Kiefer nickte. »Und jetzt verschwinde! Und wir«, sagte er jetzt an Bubi gewandt, »wir schauen da oben mal nach dem Rechten. Und dann locken wir sie aus dem Dorf.«
»Und was weiter? Wann verschwinden wir?«
»Ich verschwinde mit Eva heute Nacht. Erst, wenn sie in Sicherheit ist, hole ich dich nach, Bubi. Du musst so lange noch hier bleiben und mir den Rücken freihalten.«
»Und wie lange?«
»Weiß ich jetzt noch nicht. Vielleicht …«, er hatte Mühe, an sich zu halten. Er konnte nur an Eva und die kommenden Stunden und Tage mit ihr denken, und dieser Idiot löcherte ihn mit völlig unwichtigen Fra gen! »Vielleicht zwei Tage, Bubi. Zwei oder drei, mehr bestimmt nicht.«
Bubi knurrte so etwas wie ein Einverständnis.
Lydia Albicker hatte den umgeworfenen Eimer und die wertvolle Milch am Boden entdeckt. Ihr Gefühl sagte ihr sofort, dass etwas nicht stimmte. Als auf ihre Rufe hin weder Sattlers Sohn noch Eva Seger ant worteten, war sie über die Straße zu Evas Haus gerannt. Sie wünsch te sich, Eva hier zu finden, aber etwas in ihr behauptete felsen fest, dass es Selbsttäuschung war, so etwas zu hoffen. Als Kiefer und Bubi zu der Menschengruppe vor dem Stall stießen, hatte Mettmüller bereits einen Suchtrupp zusammengestellt. »Endlich«, empfing er seine Kollegen. Mettmüller sah verschlafen aus. Der ungewohnte Rhythmus, in der Nacht zu arbeiten und am Tag zu schlafen, machte ihm mehr zu schaffen als er es vermutet hatte. Dass er das Angebot, in der Schutztruppe mitzuwirken, angenommen hatte, bereute er seither in fast jeder freien Minute. Schließlich musste er sich weiterhin um seine Bienen kümmern und jetzt, Mitte Juni, hatte ein Imker mit achtzehn Völkern alle Hände voll zu tun. So kam es, dass er, wenn Bubi und Martin Kiefer längst in ihren Betten lagen und schliefen, noch auf den Beinen war und Honig schleuderte und Waben präparierte.
»Keine Spur von Eva. Nichts! Wir haben die Umgebung des Stal-les abgesucht, aber ohne Erfolg. Sie ist wie vom Erdboden verschluckt!« Mettmüllers Hilflosigkeit lag auf der Hand.
»Ist sie weggelaufen?« Kiefer fragte dermaßen scheinheilig, dass sich Bubi umdrehen musste, um nicht loszulachen.
»Weggelaufen? Und lässt Lea zurück?« Mettmüller, Albickers und noch ein paar Umstehende schüttelten den Kopf. »Wenn, dann wäre sie zusammen mit Lea gegangen. Und sie hätte ein paar persönliche Dinge mitgenommen. Ich meine, jeder könnte verstehen, wenn sie nach Norden aufbricht, um Hans
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