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Rattentanz

Titel: Rattentanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Tietz
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marschieren und schließlich in den umliegenden Wäldern verschwinden sehen. In ihm tobte ein einziges, aufgeregtes Jubilieren!
    Nur noch ein paar Stunden, nur noch Minuten, dann begann ein neu es Leben! Wie er sich freute, endlich mit dem Theater aufhören und wieder er selbst sein zu können! Lügen und Verstellen war nicht sein Ding. Bubi wusste: Jetzt war der Moment gekommen, um endgültig aus dem Schatten seines Vaters zu treten und ein eigenes Leben zu be ginnen. Und dass Martin Kiefer dabei an seiner Seite stand, begeisterte ihn regelrecht. Als er meinte, es wäre dunkel genug, um zum Stall zu schleichen und Hermann Fuchs’ Tribut an Martin Kiefer abzuholen, war er aufgebrochen. Zuerst, im Gasthaus am Tisch, hatte ihn Fuchs’ Mitteilung ziemlich verstört. Abgemacht war, dass Fuchs nur Kundschafter war, die eigentliche Entführung sollte gemeinsam durchgezogen werden. Bubis erste Vermutung ging dahin, dass Fuchs ihn versuche auszubooten. Fuchs war ihm nicht sonderlich sympathisch, ganz im Gegenteil. Hermann Fuchs war ein Verbrecher. Er war hinterhältig, ein Duckmäuser und ohne eigene Prinzipien und Ideale. Bubi fühlte sich ihm um Längen überlegen.
    Aber auf ihrem Weg vom Gasthaus zu Albickers Stall hatte Kiefer seinen Freund beruhigt. Niemand, so Kiefer, konnte einen Keil zwischen sie treiben. Wenn Eva in Sicherheit wäre, wollte er Fuchs ohnehin wegjagen. Aber so, sagte Kiefer, musste sich wenigstens keiner von ihnen beiden die Finger schmutzig machen. Das hatte Bubi einigermaßen beruhigt. Als er jetzt Leas Schreie hörte, rannte er los. Bis hierher war er fast gemütlich, wie ein müßiger Spaziergänger, durch den Ort geschlendert, hatte dabei in jede dunkle Ecke geleuchtet und auf jedes Geräusch geachtet und den engagierten Suchenden gespielt. Man wusste schließ lich nie, wer hinter welchem Fenster die Straße beobachtete. Als er den Hof erreichte, stieß er beinahe mit Assauer zusammen.
    »Was ist los«, fragte er. »Hat Lea geschrien?«
    »Ja«, sagte Assauer. »Sie muss hier irgendwo sein. Wollte nach ihrer Mutter suchen.«
    »Da!« Bubi hatte in diesem Moment die Silhouette eines Mannes im Stalltor entdeckt. Er riss die Waffe nach oben.
    »Nein!«, schrie Assauer. »Das ist Thomas!«
    »Verrückter Idiot«, brüllte Bubi und ließ die Waffe sinken. Seine Ta schenlampe flammte auf. »Geh zurück ins Haus, zu meiner Mutter«, befahl Bubi, aber Thomas hörte ihn nicht. Er lauschte in die Nacht. Er musste den kleinen Engel finden. Nichts Böses durfte ihm widerfahren.
    Da schrie Lea erneut auf, unmittelbar darauf das Klatschen einer gro ben Männerhand in ihrem Gesicht.
    »Halt die Klappe, du Balg!«, zischte Fuchs. Lea wimmerte. Am Bo den lag Eva, noch immer ohne Bewusstsein und für den Abtransport bereit.
    Fuchs hatte ursprünglich noch eine weitere Stunde in seinem Versteck abwarten wollen, während das halbe Dorf die Umgebung absuchte. Dann aber schlich ein abwegiger Gedanke vorbei. Was, wenn dieses Milchgesicht, dieser Bubi Faust, plötzlich Gewissensbisse bekommt und ihn und Kiefer verpfeift? Nein, sagte er sich, als der Gedanke auftauchte, das wird Bubi nicht tun, dafür ist er Martin Kiefer viel zu sehr ergeben. Fast wie ein Hündchen.
    Aber der Gedanke, einmal angekommen, ließ sich nicht so einfach wieder vertreiben. Ihm gefiel es offensichtlich in Hermann Fuchs’
    Kopf. Es war ein angenehmer Platz: dunkel, überschaubar und ohne allzu viele andere störende Gedanken.
    Fuchs sagte sich immer wieder, dass es Blödsinn war, dass keine Gefahr bestand. Eva lag friedlich neben ihm und hier im Keller war es angenehm kühl. Er musste nur warten, geduldig abwarten, wie es Kiefer befohlen hatte. Der kannte den richtigen Zeitpunkt. Aber wann, fragte er sich, wann war der richtige Zeitpunkt? Hatte er sich bereits davongemacht oder kam er in einer Stunde oder erst im Morgengrauen?
    Er hörte den Lärm, den Lea verursachte, ihre Rufe und das Klappern von Tierhufen über sich. Jetzt war der richtige Zeitpunkt!
    Fuchs’ Vermutung, dass die Suchenden zurückgekommen waren und jetzt den Stall und die Umgebung nach Spuren absuchten, trieb ihn zu fataler Eile. Er wuchtete sich Eva auf die Schulter und stieß die Kellertür auf. Kiefer sollte sein Geschenk bekommen. Er trat aus seinem sicheren Versteck und stand plötzlich Lea gegenüber. Das Kind erkannte Hose und Schuhe seiner Mutter und schrie. Als Bubi und Assauer Fuchs und sein Kellerversteck erreichten, kauerte Lea vor Fuchs auf dem Boden und

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