Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Rattentanz

Titel: Rattentanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Tietz
Vom Netzwerk:
Sie sich bekehren lassen, schenke ich Ihnen vielleicht ein Päckchen. Aber mehr nicht, das meiste brauche ich hier selbst.«
    »Du willst die Staumauer sprengen?«
    »Bingo!«, rief der Fremde und tanzte über den Strand. »Sind ein helles Köpfchen, mein Herr. Sie werden überleben, glaube ich. Oh, es wird ein wundervoller Moment. Ich muss nur noch ein paar Päckchen verteilen und die Zündschnüre miteinander verbinden. Wissen Sie, früher war ich Friseur, aber ich bin nicht dumm und Mutter Natur hilft mir mit immer neuen Einfällen. Ach, ich bin so froh, dass Sie mich verstehen.«
    »Davon kann keine Rede sein«, sagte Malow. Er hatte genug gehört. Er wollte nur noch so schnell wie möglich von hier verschwinden. Langsam ging er rückwärts zu den anderen.
    »Morgen ist der große Tag, der Tag der Befreiung. Wie werden die Wasser jubilieren und die Mauer hinwegspülen! Und mit dieser elenden Gefängnismauer wird auch das hässliche Kraftwerk darunter verschwinden – braucht eh keiner mehr. Wozu Strom, wenn wir doch Mutter Natur haben und ihren Reichtum, ihre Gnade und Großzügigkeit!« Er fiel auf die Knie, legte den Kopf in den Kies und spreizte beide Arme im rechten Winkel ab. »Ich liebe dich, Mutter Natur und gelobe dir, dich und deine Kinder Wasser, Erde und Feuer zu befreien. Die Welt sei wieder dein, in alle Ewigkeit. Amen.« Er küsste den Boden, nahm mit geschlossenen Augen einen Kiesel mit den Lippen auf, erhob sich und spuckte den Stein in den See. Dann erst öffnete er die Augen wieder, sie strahlten in einem nur von ihm erfassbaren spirituellen Glücksmoment.
    »Ich glaube, wir müssen heute noch weiter«, sagte Malow und riss den Glücklichsten Mann der Welt aus seiner Ekstase. Verständnislos betrachtete der Malow.
    Der ging zu Hans und Silvia. »Kommt«, sagte er, »wir brechen auf.«
    Er trat das kleine Feuer aus.
    »Sollen wir den Verrückten mit all dem Sprengstoff hier zurücklassen?«, fragte Silvia. »Wenn der seinen Plan umsetzt, werden vielleicht Tausende flussabwärts ertrinken. Wer weiß, wie viele Dörfer die Flutwelle wegspült.«
    »Willst du ihn erschießen?« Malow hielt Silvia das Gewehr hin.
    »Bitte. Ich werde dich nicht daran hintern.«
    Natürlich nahm Silvia die Waffe nicht. Malow ging in den Wald, wo der Schwarze angebunden wartete. Als er zurückkam, versetzte der Anblick des Tieres den Glücklichsten Mann der Welt in helle Aufregung.
    »Ihr habt ja ein Pferd, ein schönes, schwarzes Hottehüpferdchen!«
    Er lief am Strand hin und her, ohne dabei den Schwarzen aus den Au gen zu lassen. »Ihr habt nicht zufällig ein Stück von ihm übrig?« Er betrachtete hingerissen das Tier. Man musste kein Hellseher sein, um seine Gedanken zu erraten. »Nur ein winziges Stückchen vielleicht? Nein? Auch gut. Fragen kann man ja mal.« Dann überzog plötzlich wieder Erleuchtung sein Gesicht – wie eine Computeranimation, die sich auf Knopfdruck und ohne Übergang von Gier in Entrückung verwandeln ließ. »Gepriesen sei Mutter Natur für solch wundervolle Geschöpfe der Vollkommenheit und Freiheit. Es ist doch frei oder etwa nicht?«
    »Selbstverständlich ist es frei. Es kann gehen, wohin es will.«
    »Warum geht es dann nicht? In die Freiheit?«
    »Wir haben zufällig den selben Weg. Und da wir es mitnehmen und ihm den Weg zeigen, hat es uns angeboten, im Gegenzug unser Gepäck zu ziehen.«
    Der Fremde legte den Kopf schief und betrachtete Malow. Wollte man ihn hier verarschen oder was?! Dazu war er gar nicht aufgelegt!
    Er war ein ernsthafter Mann und in dieser Funktion – und in der des Retters der Natur – wusste er, dass Pferde nun einmal nicht reden kön nen. Allerdings hatte er seit der Zeitenwende auch kein Pferd mehr gesehen und, wenn auch unwahrscheinlich, war es doch nicht von vornherein auszuschließen, dass sich da etwas geändert hatte.
    »Wenn ihr wartet, bis ich hier alles erledigt habe, könnte ich euch vielleicht ein kleines Stück begleiten. Euch und euer Pferd.«
    »Muss nicht sein.«
    »Jetzt aber!« Er fand Malows ehrliche Unfreundlichkeit reichlich unangebracht, stemmte die Hände in die Seiten. »Sonderlich groß ist heutzutage die Auswahl an Reisegefährten nicht mehr! Jedenfalls außerhalb der Dörfer, aber dort will ja keiner mehr was von unsereins wissen. Also, was ist? Nur ein Stück. Ein paar Kilometer, wenn hier al les getan ist. Ich hab euch eh bald über und will wieder meine Ruhe.«
    »Die wollen wir jetzt schon.« Malow wandte sich ab. Gemeinsam mit

Weitere Kostenlose Bücher