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Rattentanz

Titel: Rattentanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Tietz
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was sollte das? Da waren die Jahre wie zähe Fäden aus Harz langsam dahingesickert, ohne Sinn, ohne Aufgabe, ohne Glauben, und jetzt, wo er endlich se hen konnte und der große Plan deutlich ausgebreitet lag, jetzt sollte er klein beigeben? Der Glücklichste Mann der Welt wusste, dass er Ma lows Befehl nicht nachkommen konnte. Selbst, wenn er dazu bereit gewesen wäre – es gab nun einmal Dinge, die mussten erledigt werden und das, was er vorhatte, gehörte selbstverständlich zu diesen Dingen. Er hielt ein Bündel Schnüre in der Hand, die Enden all der Fäden seines Kunstwerkes. Es waren Nervenstränge, die nur noch verbunden werden mussten und auf sein Zeichen warteten, um diesen Betonkoloss zu zerstören und Freiheit zu verschenken. Malow stand mitten im Gewirr der Zündschnüre.
    Der Glücklichste Mann der Welt lächelte. Langsam stand er auf. Plötzlich sprang er zur Seite und zog mit aller Kraft an den Schnüren. Wie Tentakel packten sie Malows Füße, Malow versuchte einen Schritt nach hinten, verhedderte sich, verlor das Gleichgewicht. Er riss die Arme nach oben, der Glücklichste Mann der Welt zog erneut, die Waffe fiel aus Malows Hand. Er selbst stürzte. Bevor er wusste, was eigentlich geschah, war sein Gegner schon über ihm, hielt das Gewehr in den Händen und Malow ins Gesicht.
    »Sehen Sie, so endet jeder, der sich Mutter Natur und ihrem Jünger in den Weg stellt.« Er lächelte breit, ein glückliches Lächeln, ein zufriedenes Lächeln. »Drehen Sie mal den Kopf zur Seite. Los, ich will Ihr Ohr sehen, ohh – schön! Es wird sich gut in meiner Sammlung ma chen.« Er stieg von Malow herab.
    Am Waldrand war Silvia aufgesprungen und machte Anstalten, zur Staumauer zu laufen. Hans hielt sie zurück.
    »Mutter Natur wird sich freuen, wenn Sie Ihr Ohr für sie opfern, ein Opfer für die gerechte Sache ist nicht umsonst und wird niemals vergessen. Sehen Sie!« Er zeigte auf seine Ohrenkette. »Alles heilige Ohren – die Opfergaben ihrer ehemaligen Widersacher.« Er ging zu Malow und trat ihm in die Seite. Hätten sie sich in einem ehrlichen Boxkampf gegenübergestanden und er hätte dieselbe Stelle getroffen, wäre es ein klassischer Leberhaken gewesen. Aber wie auch immer, die Wirkung war die gleiche und dies war schließlich entscheidend. Malow krümmte sich und ihm wurde schwarz vor Augen. Sein Gegner ließ das Gewehr fallen und stürzte sich auf Malow, bog dessen Arme auf den Rücken und wickelte die Schnüre, die er noch immer hielt, um dessen Handgelenk. Seine Mission gab ihm Kräfte, von de ren Existenz er vor seiner Bekehrung zum wahren Glauben nicht das Geringste geahnt hatte. Der wahre Glauben aber stattet seine Jünger mit allem aus, was die Mission erfordert: Kraft, Ohren und Dynamit –
    oder was immer auch in den niedlichen kleinen Päckchen verborgen war.
    Als er Malow – zwar unprofessionell, aber äußerst effektiv – verschnürt hatte, winkte der Glücklichste Mann der Welt Silvia und Hans. Hans lag im Gras, seine Finger umklammerten das Messer. Silvia hatte Larissa im Arm und wäre am liebsten davongerannt. Der Schwarze knabberte Gänseblümchen.
    »Na, wenn deine Freunde nicht zu mir kommen wollen, muss ich wohl zu ihnen. Ihr sollt schließlich zu dritt der Befreiung des Wassers beiwohnen. Von hier«, er deutete auf die Fahrbahn unter seinen Fü ßen, »vielleicht wird genau hier euer Platz sein? Ihr erhaltet einen Platz in der ersten Reihe, wissen Sie. Und vorher bekomme ich ein paar Ohren mehr.«
    Malow, der noch immer nach Luft rang, versuchte zu schreien und Silvia und Hans zu warnen. Da trat der Glücklichste Mann der Welt erneut zu.
    Silvia und Hans zu überwältigen stellte den Glücklichsten Mann der Welt vor kein allzu großes Problem. Silvia rannte am Ufer davon, aber Larissas Gewicht und ein kleiner Zwischenspurt ihres Verfolgers beendeten den Fluchtversuch noch ehe er recht begonnen hatte. Hans versuchte zuerst in den Wald zu hüpfen. Nachdem er stürzte, kroch er weiter und war, als ihm das Messer aus der Hand getreten wurde, kaum zwanzig Meter von seiner Ausgangsposition entfernt. Der folgende Tritt in seinen Unterleib war zwar nicht ganz so schmerzhaft wie das, was Malow kurz vorher widerfahren war, aber in seinem Ergebnis dasselbe: Hans’ Widerstand zerbrach. Der Glücklichste Mann der Welt fesselte seine Opfer und ließ sie achtlos am Ufer liegen.
    »Wegen Ihnen muss ich alles noch einmal neu verkabeln! Sehen Sie sich diese Sauerei an!«
    Tatsächlich hatte der

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