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Rattentanz

Titel: Rattentanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Tietz
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ihr zufällig ein Streichholz oder vielleicht ein Feuerzeug für einen armen Wanderer? Nicht? Auch gut. Ja, und dann hat es Bumm gemacht und keiner kann mehr tanken. Sogar die Autobahn ist kaputt, hätte man früher nicht machen dürfen, aber heute …«
    »Du hast die Autobahn zerstört?« Malow legte an und ging einen Schritt auf den Fremden zu. »Wegen dir verlieren wir einen Tag!«
    »Tschuldigung.« Der Mann verbeugte sich und die Ketten und Anhänger berührten den Kies. »Hätte ich gewusst, dass ihr noch kommt, hätte ich natürlich gewartet. Aber was ist schon ein Tag? Ihr habt noch so viele, viele Tage, die nur darauf warten, gelebt zu werden, was kümmert uns dann dieser eine mickrige Tag? Außerdem hätten wir uns niemals kennengelernt, wäre die Autobahn noch intakt.«
    »Auf deine Bekanntschaft könnten wir verzichten.«
    »Na na, nicht so unfreundlich.« Der Fremde drehte sich zur Staumauer um. »Wenn ihr ein wenig freundlicher wärt, könnte ich euch vielleicht an einer der größten Befreiungsaktionen der jüngeren Geschichte teilhaben lassen. Aber nur, wenn ihr freundlich seid, verstehen Sie?«
    »Befreiungsaktion. Wen willst du denn befreien? Ich sehe weit und breit niemanden, der deine Hilfe braucht!«
    »Oh, Sie sind noch einer aus der alten Welt. Sie sind noch nicht im neuen Leben angekommen, oder? Wer redet denn von Menschen? Der Mensch ist unwichtig. Tibet ist frei und der Krieg in Darfur beendet. Und? Wen interessierts? Wahrscheinlich nicht mal die Tibeter und die Darfurianiker oder wie die da unten heißen. Die Welt ist wichtig, die Natur und ihre Unversehrtheit, sonst nichts. Hören Sie nicht das Klagen des Wassers?« Er hielt die Hand an sein linkes Ohr und beugte sich zum Wasser. Als Malow etwas sagen wollte, zischte er wie eine Schlange und legte den Finger auf seinen Mund. »Hören Sie doch«, flüsterte er. »Wie können Sie nur hier stehen und das Leid dieses Wassers übergehen? Nur, wer sich auf die Natur einlässt und ihr dient, wird das Anrecht auf ein Weiterleben in dieser neuen Welt besitzen. Fürchten Sie nicht, dass die Natur Ihnen dieses Recht entzieht?«
    Malow schüttelte den Kopf.
    Hans, der mit Silvia und Larissa gute zehn Meter entfernt am Wald rand saß, konnte jedes Wort verstehen. Er stieß Silvia in die Seite und machte mit der Hand eine eindeutige Scheibenwischerbewegung vor seiner Stirn. Silvia nickte und drückte Larissa nur noch enger an sich.
    »Wenn Sie vielleicht morgen, spätestens übermorgen nochmals vor beischauen könnten, dann sehen Sie, wie die Natur hier wirklich ist, nicht, was der Mensch aus ihr gemacht hat.«
    »Was hast du vor?«
    »Oh, es interessiert Sie! Sie interessieren sich wirklich für meine Befreiungsaktion? Das wird man Ihnen hoch anrechnen, bestimmt!
    Gute Taten werden niemals vergessen und allein Ihr Interesse an der gerechten Sache der Natur ist bereits eine gute Tat. Eine kleine vielleicht, aber jeder fängt ja mal klein an. Ein Anfang eben, aber ein Schritt in die richtige Richtung. Wissen Sie, die Richtung ist etwas Entscheidendes. Man kann leben und leben und leben, aber ohne Richtung lebt man nur so im Kreis. Aber ich habe ein Ziel.« Er scharrte mit den Füßen im Kies. »Ich bin der Glücklichste Mann der Welt, müssen Sie wissen. Aber das ist auch nicht sonderlich schwierig in diesen wundervollen Zeiten. Sehen Sie«, er hielt Malow das Band mit den menschlichen Ohren unter die Nase. Malow wich einen Schritt zurück – der Schmuck stank fürchterlich. »Die waren dumm genug, an das Alte zu glauben. Wollten sich einfach nicht besinnen. Ich wollte sie zur Umkehr bewegen, aber nein, die alten Zeiten waren ja sooo viel besser. Jetzt gehören sie mir.«
    »Du hast sie umgebracht?!«
    »Nichts hab ich! Böses Wort. Würde nie jemanden umbringen. Ha ben sich alle selbst ins Jenseits befördert. Ich habe mir nur ein An-denken von ihnen geholt. Aber ich schweife ab. Sie haben schließlich Interesse an unserer aller Zukunft bekundet.« Der Glücklichste Mann der Welt zeigte auf den Lkw am anderen Ende der Staumauer. »Wissen Sie, was ich darin habe?« Er kicherte wie ein kleiner Junge und rieb sich in diebischer Freude die Hände. »Nein? Keine Ahnung? Na, zum Glück bin ich ja hier. Ich werde es Ihnen verraten.« Er beugte sich zu Malow hinüber und flüsterte: »Sprengstoff.« Malow trat einen Schritt zurück und sah sich nach seinen Begleitern um. »Eine ganze Wagenladung feinster Sprengstoff tschechischer Produktion. Gut, nicht? Wenn

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