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Rattentanz

Titel: Rattentanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Tietz
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aus.
    Nach der Reha, die sich seinem zweiwöchigen Krankenhausaufenthalt angeschlossen hatte, war es ihm schwergefallen, auf dem Hof wieder zurechtzukommen. Die Traktoren waren tabu, der Mähdrescher auch, die Mistgabel konnte er nicht mehr halten und als er im April die Koppel der Kälberweide reparieren wollte, musste er einen Bengel aus der Nachbarschaft mitnehmen, der vor Angst zitternd die Pfosten hielt, die Albicker einhändig mit einem Vorschlaghammer in den Boden schlug. Er durfte und konnte nicht mehr Auto fahren, benötigte Lydias Hilfe beim An-und Ausziehen und brauchte eine halbe Ewigkeit, um die schmale Holzstiege, die vom Stall auf den Heuboden führte, zu erklimmen. Lydia hatte ihn am Ärmel gepackt und wieder hinuntergeführt. Sie machte ihm Vorwürfe und appellierte an sein Verantwortungsbewusstsein. So unsicher wie er noch auf den Beinen umherhinkte war ein Sturz, nicht nur die Stiege, sondern auch das große, quadratische Loch hinab, durch welches sie Heu zu den Tieren im Stall warfen, recht naheliegend! Aber Andreas Albicker ließ sich nicht entmutigen. Und so, wie er jeden Tag immer einfach weitergemacht hatte, ein bisschen langsamer und ein wenig unordentlicher vielleicht als Lydia, so hatte er sich vorhin auch einen Eimer geschnappt, war zu den Kühen gehumpelt und hatte ohne viele Worte zu verlieren mit dem Melken begonnen.
    Sie hatten ihren Rinderbestand im Laufe des Winters um ein Drittel reduzieren müssen, denn die Arbeit wurde, nachdem ihre Versicherung die Kosten für einen Helfer nicht mehr weiter übernahm, für Lydia allein zu viel. Eigentlich, überlegte Andreas manchmal, während er seine Frau verstohlen beobachtete, eigentlich war es ein Wunder, dass sie dies alles schaffte, ohne sich aufzulehnen, ohne mit ihrem Schicksal zu hadern oder ihm die Schuld zu geben. Sie machte einfach weiter. Sie erledigte ihre Arbeit, immer eins nach dem andern, jetzt nur etwas hastiger als noch vor einem Jahr und abends etwas länger.
    Im Laufe des Nachmittags waren Helfer aus dem Dorf eingetroffen, mit Eimern und Hockern bewaffnet. Bardo Schwab kam, hauptsächlich, um sich vor dem Bestattungsunternehmen zu drücken, welches Christoph Eisele mittlerweile fast einsatzbereit hatte. Die Krone-Wirtin, Edeltraud Winterhalder, hoffte auf einen Eimer kostenlose Milch. Selbst Hildegund Teufel wagte sich in den Stall, lehnte ihre beiden Stöcke an die Wand und befahl einem der erschrockenen Kinder, die es zu dem ungewohnten Treiben zog, ihr beim Hinsetzen zu helfen.
    Als Frieder Faust und Susanne aufkreuzten, waren elf Menschen beim Melken und das Brüllen der Tiere wurde weniger.
    »Schön, dass du kommst, Frieder«, begrüße ihn Albicker und nahm mit einem Lächeln Fausts angebotenen Arm. Faust zog ihn auf die Beine. »Du hast ja sicher noch bei deiner Mutter das Melken gelernt.« Faust nickte. »Wo hast du Bubi gelassen?« Als Kind hatte man Bubi beinahe jeden Tag in Albickers Stall finden können. Mit dem ersten Hahnenschrei stand er damals auf und im Sommer kam es vor, dass er Steinchen an das Schlafzimmerfenster der Bauern warf, weil diese, kurz nach fünf, noch schliefen.
    »Bubi kann nicht (Nein, ich bleib hier! Der Strom kommt bestimmt bald wieder!), aber sollte es morgen früh noch genauso aussehen«, er wies mit dem Kinn auf die tonlose Melkanlage, »dann trag ich ihn dir persönlich in den Stall!« Albicker freute sich. Es tat gut mit Faust zu reden.
    »Willst du ein Bier?«, fragte Albicker, zog zwei Flaschen aus einem Regal und lächelte dazu wie ein Spitzbube. Eine Werkzeugkiste hatte die Flaschen vor Lydias Blick verborgen. Sie hasste es, wenn er etwas trank.
    »Äh, ich bin eigentlich zum Melken gekommen.«
    »Lass nur, es sind genug Helfer hier. Und manchmal«, er ging voran in den Raum in dem die Melkanlage und die beiden Tanks für die Milch standen, »manchmal muss auch Zeit sein für ein paar Worte und ein Bierchen!« Sie prosteten sich zu und tranken.
    »Hast dich gut geschlagen unten in der Krone«, begann Albicker und wischte sich das Kinn ab. Seit seinem Schlaganfall hatte er Probleme, aus einer Flasche zu trinken. Ein paar Tropfen gingen immer da neben. Aber wenigstens funktionierte das Schlucken wieder tadellos.
    Faust nickte. »Blieb mir kaum etwas anderes übrig.«
    »Du warst in Bonndorf? Hat Lea vorhin erzählt, als sie etwas Milch holte. Du weißt ja, wie kleine Mädchen sind, sie plappern und plappern und vergessen die Welt dabei. Wie sieht’s aus in der Stadt?«
    Faust

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