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Rattentanz

Titel: Rattentanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Tietz
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Susanne war nicht wohl bei dem Gedanken, dass Lea einen Kranken füttern sollte. Aber ihr Mann, dem der Zweifel in ihrem Blick auffiel, versuchte sie zu beruhigen.
    »Lea kann das, stimmts? Bist schließlich kein Baby mehr!«
    Lea nickte und hielt Assauer die Gabel mit einem ersten Fleischbrocken an die Lippen. Bereitwillig öffnete der den Mund und ließ sich von Lea füttern.
    »Seht ihr, ich kann es, ich kann es!«
    »Der ist doch bloß zu faul zum Essen, wollen wir wetten?« Bubi ta xierte jeden Bissen den Assauer nahm und ärgerte sich, den Mann mitgebracht zu haben. Als ob die Bilder nicht gereicht hätten! »Wann kommt nur dieser blöde Strom wieder? Vater, ich muss die Bilder an die Sender mailen.«
    »Keine Ahnung, Bubi. Aber eines weiß ich: Wenn du noch lange deine Fotos anschaust und die Kamera alle paar Minuten an-und wieder abstellst, ist der Akku bald leer. Aber dann ist wenigstens Ruhe.«
    Erschrocken – an den Akku hatte er bisher keinen Gedanken verschwendet – legte Bubi die Canon zur Seite.
    »Nachher fahr ich noch nach Bonndorf. Willst du mitkommen oder«, Frieders Blick fiel auf Lea und Assauer, »soll ich uns vielleicht etwas mitbringen vom Aldi?«
    »Oh, ich weiß nicht. Vielleicht ein Brot und Butter. Den Rest müssten wir noch dahaben.«
    »Haben wir von allem genug? Wer weiß schon, wie lange das jetzt so weitergeht. Na, ich bringe mit, was ich kriegen kann. Ein paar Vorräte können nie schaden!«
    »Meinst du, wir werden Vorräte brauchen?« Susanne wirkte mit einem Mal noch besorgter. Bis jetzt war sie davon ausgegangen, dass sich bis morgen oder spätestens übermorgen alles wieder geregelt haben würde, der Strom zurückkäme und Wasser, Telefon und Fernsehen wieder funktionierten.
    »Was weiß denn ich«, erwiderte Faust und trank sein Bier leer.
    »Aber bestimmt werde ich nicht hier hinter meinem Haus sitzen bleiben und darauf warten, dass sich irgendwer um mich kümmert. So eine Einstellung würde dir übrigens auch ganz gut stehen, mein Sohn«, aber Bubi lächelte nur müde.
    Faust stand auf und zog sein Hemd über. »Komm Bubi, wir fahren.«
    »Nein Vater, ich bleib hier, vielleicht kommt gerade jetzt der Strom wieder!«
    Aber Faust blieb hart. »Nichts da, du kommst mit. Ist schließlich auch für dich oder lebst du ab sofort nur noch von Luft und deinem unerlebten Erfolg als Reporter?«
    17:58 Uhr, Bonndorf
    Faust und Bubi bogen auf den Aldi-Parkplatz in Bonndorf ein. Der weite Platz war leer und die großen Glastüren des Supermarktes, auf denen rote Stoppschilder und blaue Pfeilaufkleber den Ein-beziehungsweise Ausgang klar definierten, hatte jemand eingeschlagen. Vorsichtig stiegen sie über die Scherben und gingen in die Halle, die in mystischem Halbdunkel lag. Die Wand an der schmalen Stirnseite, da, wo sich die Eingänge befanden, bestand komplett aus Glas. Die vier Kassen und die Flure, rechts und links von mannshohen Regalen gesäumt, sahen ungewohnt aus, so ganz ohne Neonbeleuchtung, nur auf das angewiesen, was das Tageslicht hergab. Aber hier, nur wenige Schritte vom Fenster, reichte die Helligkeit noch aus, um Details und Kleinigkeiten zu erkennen. Aber mit jedem Schritt, den Faust und sein Sohn langsam in die Halle vorstießen, wurde es schummriger. Die gegenüberliegende Stirnseite verschwand fast völlig im Dunkeln.
    Die sonst zum Bersten vollen Regale waren fast komplett leer. Am Boden lagen vereinzelt leere Packungen.
    »Hallo? Ist da jemand?« Faust schrak vor dem Klang seiner Stimme zurück, welcher der hohe Raum eine ungewohnte Farbe gab.
    »Wen interessiert das?« Hinter einer der Regalreihen kam eine äl-tere Frau hervor, in einer Hand eine Flasche Olivenöl, die sie drohend über dem Kopf schwang. »Ist eh schon alles weg und das hier«, sie versteckte eine volle Tasche hinter ihrem Rücken, »das bekommt ihr nicht!«
    Gegen zehn an diesem Vormittag, vor dem Geschäft hatten sich weit über Hundert Menschen versammelt, weigerte sich die Marktleiterin noch immer die Türen zu öffnen. Ohne Strom − und damit ohne Kasse − ginge nichts.
    Einige potenzielle Kunden waren anderer Meinung. Ein junger Mann beendete schließlich kurzerhand die nervigen Diskussionen, indem er mit seinem leeren Einkaufswagen zwölf Meter zurückging, »Platz da!« schrie und dann den Wagen mit voller Wucht gegen die verschlossene Glastür rammte. Im vierten Anlauf zersprang die Tür, während der Ausgang inzwischen von anderen Kaufwilligen auf die gleiche Weise bearbeitet

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