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Raue See

Raue See

Titel: Raue See Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralph Westerhoff
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fragte Bergmüller verwundert.
    »Irgendwie bin ich ja in gewisser Weise diejenige, wegen der er die Opfer umbringt. Und ich habe es satt, immer wieder Interna, und sei es in Gedichtform, von einem Mörder vor den Latz geknallt zu bekommen.«
    »Wiebke!«, ermahnte Bergmüller sie. »Du willst doch nicht behaupten, dass …«
    »Gar nichts behaupte ich«, unterbrach sie ihn unwirsch. »Ich zähle nur die Fakten auf. Der Täter wusste, dass ich im Erziehungsurlaub bin. Er wusste, dass ich stille …«
    »Das kann er auch durch Beobachtungen herausbekommen haben«, wandte Bergmüller ein. Wiebke reagierte mit einem wütenden Blick und sprach mit lauter Stimme, fast schon brüllend, weiter: »Er wusste, dass die Soko aus siebzehn Personen besteht. Und er weiß, dass ich mit Hilfe von Lena Svenson die Identität der Opfer ermittele. Das kann er nicht einfach so beobachtet haben. Das muss ihm einer gesteckt haben, und darüber dürfen wir nicht einfach hinwegsehen. Jede einzelne Information kann Zufall sein. Mehrere sind es nicht. Ich befürchte, dass wir eine undichte Stelle haben.«
    »Willst du damit andeuten, dass jemand aus unserer Runde vertrauliche Informationen unbefugt weitergibt?«
    »Das will ich nicht nur andeuten. Jeder hat einen Menschen, dem er alles erzählt.« Sie sah Lena an, die ihr zunickte. »Und dieser Mensch hat vielleicht einen anderen, dem er genauso vertraut. Die Konsequenz ist, dass Vertrauliches zum Allgemeingut wird, das man mir nun in Gedichtform um die Ohren haut.« Ihre Faust knallte auf den Tisch. »Ich will, dass hier jeder ab sofort die Schnauze hält! Ich will nie wieder Interna von einem Mörder vorgehalten bekommen. Ist das angekommen?«
    Bergmüller machte eine beschwichtigende Handbewegung. Der zunächst gemurmelte Protest der Kollegen entwickelte sich nämlich langsam zu lautstarken Rechtfertigungskaskaden. »Kollegen«, sagte er. »Auch wenn Frau Menn ein bisschen übers Ziel hinausgeschossen ist: Im Kern ist ihr Appell richtig. Wir sollten in Zukunft noch vorsichtiger mit dem sein, was wir über diese Ermittlungen erzählen. Und jetzt ist Feierabend. Bis morgen.«
    Als sich die Kollegen erhoben, würdigten sie Wiebke entweder keines oder eines abfälligen Blickes.
    »Du hast in den Pool gepinkelt«, sagte Bergmüller zu ihr. »Das mögen die Kollegen nicht.«
    »Und ich mag es nicht, vorgeführt zu werden. Es musste gesagt werden, ich habe es gesagt, und damit basta.«
    »Die Stimmung in der Soko ist damit allerdings beim Teufel, das weißt du schon, oder?«
    »Ehrlich gesagt, ist es mir im Moment wichtiger, diesen Typen zu kriegen, als mich um das kollegiale Befinden meiner Kollegen zu kümmern. Schönen Feierabend.« Wiebke stand auf, drehte sich um und ging. Sie spürte Bergmüllers Blicke in ihrem Rücken und ahnte, dass er den Kopf schüttelte.

ELF
    Am Ende der Woche fühlte sich Wiebke einfach nur leer. Die Belastung – sie hatte seit Mittwoch wie eine Besessene gearbeitet – war nicht einmal das Schlimmste. Sie war weniger wegen der Arbeit als wegen der Umstände regelrecht frustriert. Auch wenn sie sich tausendmal sagte, dass es Unsinn war, zu behaupten, sie sei am Tod der vier Frauen schuld. Ganz abschütteln konnte sie das Gefühl nicht. Irgendwie hatte der Täter doch recht. Hätte sie ihn inzwischen gekriegt, würde die eine oder andere Frau … Sie zwang sich, ihre Konzentration wieder auf die Unterlagen vor sich zu lenken. Der Gedanke trieb sie regelmäßig an den Rand des Nervenzusammenbruchs. Trotzdem saß sie, es war inzwischen fast halb vier Uhr nachmittags, allein in ihrem Büro und versuchte, Daten, Fakten und vor allem ihre Gedanken zu sammeln und zu sortieren.
    Reinhard Bergmüller hatte mit seinem Bild von ihrem heißen Atem, den der Täter inzwischen im Nacken spüren musste, sicher recht. Die in Philippsreut sichergestellten Fingerabdrücke stimmten, wie sich gestern herausgestellt hatte, mit einem in Claudia Voigts Golf gefundenen überein. Sie war also gemeinsam mit ihrem Mörder nach Roderbirken gefahren. Warum sie dorthin gefahren war, lag aber weiterhin im Dunkeln.
    Gestern war auch Claudia Voigts PC angekommen. Er war nicht passwortgeschützt, und sie hatte sich gleich ans Werk machen können. Sie fand heraus, dass Claudia Voigt einen Account beim Internetportal DateYourLove.de gehabt hatte, und sah die Aussage der Mutter bestätigt. Claudia Voigt hatte tatsächlich die Angewohnheit gehabt, sich mit ständig wechselnden Männern zu treffen.

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