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Raue See

Raue See

Titel: Raue See Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralph Westerhoff
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Urlaubsort.
    Es war warm genug, um draußen zu sitzen, sodass sie einen Tisch im Außenbereich des Ostseerestaurants wählten. Wiebke blickte auf den Hafen und betrachtete die über die Promenade flanierenden Urlauber. Der Kellner brachte die Speisekarte. Wiebke brauchte nicht lange, und kurz darauf hatten sie die Bestellung aufgegeben. Die Strahlen der untergehenden Westsonne, die sich ihren Weg zwischen den Gebäudekomplexen hindurch zur Terrasse gebahnt hatten, ließen den Weißwein in ihren Gläsern goldgelb erleuchten.
    »Vielen Dank für diese gute Idee«, sagte Wiebke und prostete Bergmüller zu.
    »Es ist mir eine Freude.«
    Wiebke betrachtete wieder die flanierenden Menschen auf der Promenade. Etwas war ungewöhnlich. Sie überlegte lange, was das war. Als es ihr klar wurde, traute sie sich kaum, es auszusprechen.
    »Reinhard, bitte verstehe mich nicht falsch«, sagte sie zögernd. »Aber hier sind auffällig viele Behinderte. Nicht dass mich das stören würde. Es sind nur wirklich viele, viel mehr als sonst.«
    »Das ist kein Wunder«, antwortete Bergmüller, während der Kellner die Vorspeise servierte. Wiebke hatte eine Essenz von Ostseefischen mit Estragon und Klößchen bestellt. Bergmüller bekam eine kleine Portion süßsauer eingelegten Eckernförder Bratherings mit Löwenzahn und Bratkartoffeln. »Das alles hier sollte mal eine reine Urlaubsgegend werden. Aber schon in der Planungsphase merkte man, dass das Projekt wohl ein bisschen überdimensioniert war. Also wurde mit der Eröffnung des Hotels auch eine Klinik eingeweiht. Heute wird Damp nur noch zu etwa einem Drittel klassisch touristisch bewirtschaftet.«
    »Und die anderen zwei Drittel?«
    »Da ist einmal die Klinik, Europas größte Einrichtung für Implantate. Wenn du eine neue Hüfte oder ein neues Knie brauchst, bist du hier richtig. Außerdem gibt es zwei Reha-Einrichtungen. Deshalb die hohe Zahl behinderter Menschen.«
    Sie begannen zu essen und unterhielten sich über dies und das. Als der Kellner den Hauptgang abtrug, wurde Wiebke nachdenklich. Sie blickte auf die friedlich daliegenden Schiffe und bekam auf einmal Angst. Sie wusste ja, dass Bergmüller ein Boot hatte. Mit Sicherheit würde er vorschlagen, morgen einen kleinen Törn zu machen.
    »Reinhard«, sagte sie verlegen.
    »Ja?«
    »Du, ich, äh … also … Du hast ein Segelboot, ich weiß. Und ich vermute, dass du morgen mit mir aufs Wasser willst. Aber ich …«
    Er nahm ihre Hand. »Wiebke. Mir ist deine Vita wohlbekannt. Ich weiß, dass du auf einem solchen Boot nur knapp einem Mordanschlag entgangen bist. Du musst nicht mit mir fahren.«
    »Danke«, sagte sie erleichtert.
    Zum Dessert genossen beide eine Crème brulée. Obwohl es Hochsommer war, wurde es jetzt am Abend, gegen zweiundzwanzig Uhr, doch noch empfindlich kalt.
    »Ich schlage vor, dass wir die zweite Flasche Wein bei mir in der Bude trinken.«
    »Gute Idee«, sagte Wiebke. »In welchem Stockwerk hast du denn dein Refugium?«
    Bergmüller schüttelte den Kopf. »Mein Unterschlupf befindet sich nicht in den Betonbauten. Komm mit, ich zeig es dir. Es wird dir gefallen.«
    Er bezahlte, und sie flanierten die Uferpromenade entlang. Die kleinen Läden hatten noch geöffnet, und es waren weiterhin viele Menschen unterwegs. Nach etwa zweihundert Metern machte die Promenade einen scharfen Linksknick, und Wiebke sah den Strand. Hellen weißen Sand, wie man ihn eigentlich nur von retuschierten Prospektfotos kannte. Gegenüber dem Therapiezentrum hatte man eine Bühne errichtet, auf der eine Band spielte. Überall standen Korbsessel im Sand herum, in denen die Menschen – in Decken gehüllt – die Cocktails der Strandbar schlürften. Davor lagen jede Menge Beachvolleyball-Felder. Dann begann der Badestrand. Einige der Strandkörbe waren noch besetzt. Die meisten hatten jedoch den Korb umgedreht und blickten statt auf das Meer gen Westen, um die untergehende Sonne zu bewundern. Irgendwann lenkte Bergmüller seine Schritte nach links.
    Die Bebauung endete abrupt. In Richtung Norden konnte man den Schwansee erahnen. Bis dahin war nichts außer Feld, Bäumen und Natur zu sehen.
    »Hat man eigentlich viele Bäume fällen müssen, um das hier zu bauen?«, fragte Wiebke.
    Bergmüller verneinte. »Das waren alles saure Wiesen hier. Das Gras war nicht einmal geeignet, um Kühe darauf grasen zu lassen. Als man dann mit dem Bau fertig war, stellte man fest, dass praktisch keine Pflanze da war. Deshalb wurden damals Unmengen von

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