Raue See
Folterkammer. »Niemals wird mich einer fangen. Versucht es doch!«
Das Hämmern in seinem Kopf wurde langsam erträglich. Er ging zu Bett. Morgen war ja auch noch ein Tag.
* * *
»Lagebesprechung!«, brüllte Randolph in Streichers Partykeller. Eiligst hatten die inzwischen vollzählig eingetroffenen sechs Kollegen im Ruhestand und er aus dem, was sie dort und in der übrigen Wohnung vorfanden, Arbeitsplätze geschaffen. Frau Streicher hatte nicht einmal Einwände erhoben, als auch der Wohnzimmertisch zweckentfremdet und in den Partykeller gebracht worden war. Im Gegenteil, sie versorgte die Männer mit Essen, Kaffee und Getränken. Offensichtlich war sie über die Brisanz der Operation informiert.
Wolken blauen Dunstes waberten im Raum. Die Männer waren zu alt, um noch zu verstehen, dass sich das Rauchen in fremden Häusern heute eigentlich nicht mehr geziemte. Sie versammelten sich um Randolph.
»Wie ich euch schon gesagt habe, geht es um das Leben meiner Nichte. Sie ist entführt worden. Wir wissen nicht, von wem, und wir wissen nicht, wohin. Der Entführer, der bereits sechsmal in den letzten Wochen Frauen entführt und ermordet hat, kündigt deren Tod zu einem bestimmten Zeitpunkt an. Diesmal ist es der kommende Samstag. Wir haben also heute Nacht, morgen und Freitag, um das zu verhindern. Ich zähle auf euch!«
Günter und Streicher betraten den Raum und nickten Randolph zu. Jonas hatten sie bei Carsten Franck gelassen. Sie hatten ihm erklärt, eine polizeiliche Aufsicht für den Kleinen und absolutes Stillschweigen darüber seien unbedingt notwendig. Er war natürlich neugierig, hatte aber akzeptiert, dass die Erklärung später nachfolgen würde. Es machte den Eindruck, dass Jonas bei ihm in guten Händen war.
»Wie immer gehen wir wie folgt vor: Niemand ist unverdächtig. Nichts ist so, wie es scheint. Jeder kann es sein. Wir alle beschäftigen uns jetzt bis morgen, zwölfhundert, mit den Akten. Ich will, dass ihr die Details aufsaugt. Geschlafen wird maximal vier Stunden. Wir sind ja jetzt alte Knacker, da fällt uns das doch leicht.«
Allgemeines Gemurmel war die Antwort.
»Männer! Ans Werk.«
Günter ging zu Randolph und fragte ihn besorgt: »Meinst du nicht, dass wir mit dem Aktenstudium zu viel Zeit verplempern? Wir tun doch gar nichts.«
»Günter«, sagte Randolph mit einem auf einmal väterlichen Tonfall. »Ich verstehe dich ja. Aber jetzt einfach irgendetwas zu tun, wäre so, als würden wir im dichten Nebel schießen. Wir verplempern unser Pulver und treffen doch nichts. Ohne detaillierte Fallkenntnis ist jeder Aktionismus ein großer Fehler.«
»Ich meine ja nur, dass nach allem, was wir wissen, Bergmüller der Hauptverdächtige ist. Er kannte wie Zielkow diesen Schmidt-Geerling. Er hatte wie Zielkow Zugriff auf das AFIS . Seinen Tagesablauf kontrolliert ebenfalls niemand.«
»Da hast du recht«, erwiderte Randolph. »Und was machen wir mit der Tatsache, dass er den Doppelmord an den Polizistinnen nicht begangen haben kann, weil er nachweislich in Australien war?«
»Das weiß ich nicht. Vielleicht ist er aber jetzt nicht dort«, beharrte Günter.
»Wie ich von Streicher gehört habe, hat Wiebke ihn selbst zum Flughafen gebracht und gesehen, wie er durch die Passkontrolle durch ist«, wehrte Randolph ab. Doch halt!, dachte er. Was wäre, wenn Max und Moritz zu dritt agierten? Wenn sich hinter Moritz sozusagen zwei Personen, nämlich Zielkow und Bergmüller, zwei alte Kameraden, verbargen?
»Vielleicht ist er ja nach der Passkontrolle noch mal umgekehrt?«, mutmaßte Günter.
Randolph besann sich auf die Fakten. Diese neue Hypothese jetzt zu äußern, wäre falsch. Diverse Umstände sprachen für Bergmüller. »Erinnerst du dich an die Postkarte bei euch auf dem Wohnzimmertisch?«, fragte er Günter.
»Ja, wieso?«
»Sie ist von Bergmüller. Sie stammt aus seinem Hotel. Ich habe dort unter einem Vorwand angerufen, und man hat mir bestätigt, dass Bergmüller am Sonntag wie geplant dort eingecheckt hat.«
»Scheiße«, sagte Günter. »Und wer soll es dann gewesen sein?«
»Wir finden es raus. Vertrau mir.«
»Was bleibt mir übrig?«, seufzte Günter verzweifelt.
* * *
Wiebke versuchte, dem Strahl aus dem Wasserschlauch auszuweichen, der sie aufgeweckt hatte. Mit diebischer Freude und hämischem Lachen zielte er immer wieder auf sie. Sie fror erbärmlich, denn in dem Raum war es kühl, sie war nackt, und das Wasser auf ihrer Haut entzog ihr immer mehr Wärme.
»Wir
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