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Raue See

Raue See

Titel: Raue See Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralph Westerhoff
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was.«
    »Jawohl! Und was machst du in der Zeit?«
    »Ich fahre schon mal vor, lese die Akten und empfange die Kollegen. Herr Dr.   Streicher, könnten Sie mir bitte einen Schlüssel geben und gegebenenfalls Ihre Frau informieren? Ich möchte nicht erschossen werden, weil sie mich für einen Einbrecher hält.«
    Streicher holte seinen Schlüsselbund hervor, entfernte den Haustürschlüssel und gab ihn Randolph. Der nahm die DVD aus dem Player und sagte im Gehen: »Beeilt euch. Wir haben nicht viel Zeit.«
    Sie hörten, wie er dem Mondeo die Sporen gab und sich rasch entfernte.
    »Ist der eigentlich immer so?«, wollte Streicher von Günter wissen.
    »Wie meinst du das?«
    »Ich meine, so überlegt, kühl und berechnend.«
    »Er ist der liebste Mensch, den ich kenne«, sagte Günter. »Es ist halt seine Art, mit der Situation umzugehen. Schau mich an. Mit meiner Emotionalität bin ich Wiebke keine Hilfe. Randolph verdrängt die Gefühle, damit er tun kann, was Wiebke hilft.«
    Streicher wollte Günter noch fragen, wie er denn ihre Chancen einschätzte, Wiebke rechtzeitig zu finden, biss sich aber gerade noch rechtzeitig auf die Zunge. Dann machten sie sich an die Arbeit und überprüften, was die Nanny in spe, Carsten Franck, heute den Tag über gemacht hatte. Vorher rief Streicher noch seine Frau an, um den Besuch anzukündigen.
    Der Countdown lief.
    * * *
    Wiebke lag nackt auf dem kalten Betonboden. Aber sie schien friedlich zu schlafen. Um ihren rechten Fuß hatte er eine massive Eisenschelle geschraubt, die mit einer Stahlkette verbunden war. Das andere Ende der Kette war mit der Betonwand des Kellers verdübelt. Ohne schweres Gerät wäre diese Verschraubung nicht lösbar. Ihre Hände waren auf dem Rücken mit Handschellen gefesselt.
    Zwischen ihm und ihr befanden sich diverse zwei Zentimeter dicke Stahlstangen, die im Boden und in der Decke verankert waren. Die kleine Tür des Verlieses war mit Sicherheitsschlössern aus V2-Stahl gesichert. Ein Entkommen war unmöglich.
    Zufrieden betrachtete er sein Werk. Ein paar Stunden würde sie dort noch bewusstlos auf dem Boden liegen. Morgen früh würde er sie wecken und ihr Frühstück machen. Dann würden sie reden. Er würde ihr erklären, dass und warum sie sterben musste. Immer wieder würde er es ihr erklären, bis sie es verstand. Dass sie kein Recht mehr hatte zu leben. Sie hatte es doch verwirkt. Wegen damals. Und weil sie ihn nicht kriegen konnte. So jemand durfte nicht leben. Es war doch selbstverständlich, dass sie sterben musste. Diese unfähige Schlampe.
    Vielleicht verstand sie es ja. Alle anderen hatten es nur behauptet und laut gerufen: »Ich verstehe Sie! Ich habe kein Recht mehr zu leben.« Aber er hatte an ihren Augen gesehen, dass sie ihn anlogen. Sie waren alle verlogen. Er würde diese Verlogenheit rächen. Und wenn es vorbei war, würde auch dieser Druck in seinem Kopf nachlassen.
    Er atmete schnell. Eigentlich wollte er sofort anfangen, aber Spiel war Spiel. Er hatte eine Frist gegeben, und diese Frist musste eingehalten werden. Solange würde er den Druck in seinem Kopf auch noch aushalten. Würde er es ertragen, sie zu haben und nicht zu töten.
    Es wäre besser, zu gehen und sie nicht mehr anzustarren. Sonst könnte er sich vielleicht doch nicht mehr zurückhalten. Dann wäre sie tot und hätte davon nichts gespürt. Sie musste doch leiden! Und die, die ihn jagten, mussten lernen, dass er besser war als sie.
    Der Impuls wurde immer stärker. Er musste verhindern, dass er sie jetzt schon tötete. Früher war es einfacher gewesen. Da hatte er Max die Gefangenen bewachen lassen und ihm erlaubt, seinen Spaß mit ihnen zu haben. Er durfte alles machen, nur töten durfte er sie nicht. So führten die Frauen ihn nicht in Versuchung, bis er an der Reihe war. Doch jetzt lag Eva mit dem Apfel in der Hand vor ihm. »Töte sie«, sagte sein hämmernder Kopf. »Nimm das Messer! Lass das Blut spritzen!«
    Nein, er musste stark sein. Er bot alle Kraft auf und beschloss, stattdessen die Folterkammer zu inspizieren. Dort musste schließlich auch alles perfekt sein für Samstag. Schwer atmend vor Anstrengung schloss er die wuchtige Tür zum »Lager«, wie er und Max den Raum immer genannt hatten. Früher hatten sie einen alten Kuhstall für diese Zwecke gehabt. Aber der neue Raum war auch nicht schlecht. Vor allem kannte ihn niemand. Das war noch besser. Nein, sie würden ihn nie kriegen.
    »Niemals!«, brüllte er in der schalldicht isolierten

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