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Raum

Raum

Titel: Raum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emma Donoghue
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Und am schlimmsten ist der dicke fette Fuß in der Ecke, jedes Mal denke ich, der tritt auf mich drauf.
    Ich darf den Löffel ablecken, dann schiebt Ma den Kuchen in den heißen Bauch von Herd. Ich versuche, gleichzeitig mit allen Eierschalen zu jonglieren. Ma fängt eine auf. »Sollen wir daraus kleine Jacks mit Eierköpfen basteln?«
    »Och nö«, sage ich.
    »Wir könnten ihnen ein Nest aus Mehlteig machen. Wenn wir morgen die rote Beete auftauen, können wir ihn mit dem Saft rot färben …«
    Ich schüttele den Kopf. »Lieber an Eierschlange dranmachen.«
    Eierschlange ist länger als einmal ganz rund um Raum, wir basteln sie schon, seit ich drei war. Sie wohnt aufgerollt unter Bett und passt auf uns auf. Die meisten von ihren Eiern sind braun, aber manchmal gibt es auch ein weißes, auf manchen sind auch mit Bleistift oder Buntstift oder Kuli Muster gemalt oder mit Mehlklebe Stückchen aufgeklebt, eine Krone aus Folie oder ein Gürtel aus gelbem Band und für die Haare Bindfäden oder Fitzelchen von Klopapier. Ihre Zunge ist eine Nadel, von der aus geht der rote Faden ganz durch ihn durch. In letzter Zeit holen wir Eierschlange nicht mehr oft raus, weil sie sich manchmal verheddert, und die Eier brechen an den Löchern aus oder fallen sogar ab, und aus den Stückchen können wir dann nur noch ein Mosaik basteln. Heute stecke ich die Nadel in ein Loch von den neuen Eiern, dann muss ich sie hin und her baumeln lassen, bis sie ganz spitz aus dem andern Loch wieder rauskommt. Gar nicht einfach. Jetzt ist sie drei Eier länger. Ganz vorsichtig wickle ich sie wieder auf, damit sie unter Bett passt.
    Auf meinen Geburtstagskuchen warten dauert stundenlang. Wir atmen die schöne Luft ein. Danach, während er abkühlt, machen wir etwas, was Glasur heißt, aber es ist überhaupt nicht aus Glas, nur aus Zucker, der mit Wasser geschmolzen ist. Ma verteilt ihn über den ganzen Kuchen. »Jetzt kannst du die Schokolädchen draufmachen, ich spüle derweil ab.«
    »Aber es gibt gar keine.«
    »Tataa«, sagt sie, hält eine kleine Tüte hoch und wackelt damit, raschel raschel . »Ich habe ein paar von denen aufgehoben, die wir vor drei Wochen als Sonntagsgutti gekriegt haben.«
    »Du listige Ma. Wo?«
    Sie macht ihren Mund zu wie einen Reißverschluss. »Und was ist, wenn ich noch mal ein Versteck brauche?«
    »Sag es mir!«
    Ma lächelt nicht mehr. »Schreien tut meinen Ohren weh.«
    »Sag mir das Versteck.«
    »Jack …«
    »Ich will nicht, dass es Verstecke gibt.«
    »Was ist denn daran so schlimm?«
    »Zombies.«
    »Ach so.«
    »Oder Ungeheuer und Vampire.«
    Sie macht Schränkchen auf und holt die Reisschachtel heraus. Dann zeigt sie in das dunkle Loch. »Ich habe sie einfach nur im Reis versteckt. Okay?«
    »Okay.«
    »Irgendwas Gruseliges würde da gar nicht hineinpassen. Du kannst jederzeit nachsehen.«
    In der Tüte sind fünf Schokolädchen, rosa, blau, grün und zwei rote. Ein bisschen von der Farbe klebt auf meinen Fingern, als ich sie drauftue, und auch Glasur. Ich lecke jedes Fitzelchen ab.
    Jetzt müssen die Kerzen kommen, aber es gibt keine. »Du schreist ja schon wieder«, sagt Ma und hält sich die Ohren zu.
    »Aber du hast gesagt, Geburtstagskuchen, und es ist kein Geburtstagskuchen, wenn nicht fünf Kerzen am Brennen sind.«
    Sie pustet die Luft aus den Backen. »Das hätte ich dir vielleicht besser erklären müssen. Dafür sind doch die fünf Schokolädchen da. Die zeigen, dass du fünf bist.«
    »So einen Kuchen will ich nicht.« Ich kann es nicht leiden, wenn Ma einfach nur ganz still abwartet. »Blöder Kuchen.«
    »Jetzt beruhig dich mal wieder, Jack.«
    »Du hättest als Sonntagsgutti nach Kerzen fragen müssen.«
    »Aber letzte Woche haben wir nun mal Schmerztabletten gebraucht.«
    »Ich nicht, nur du«, brülle ich.
    Ma guckt mich an, als hätte ich ein neues Gesicht, das sie noch nie gesehen hat. Dann sagt sie: »Und außerdem weißt du doch, dass wir uns Sachen wünschen müssen, die er leicht besorgen kann.«
    »Aber er kann alles besorgen.«
    »Mag sein«, sagt sie. »Wenn er sich die Mühe machen würde …«
    »Warum hat er Mühe gemacht?«
    »Ich meine damit nur, dann müsste er vielleicht in zwei oder drei Geschäfte gehen, und das würde ihn sauer machen. Und was wäre, wenn er etwas einfach nicht findet? Dann würden wir vielleicht gar kein Sonntagsgutti kriegen.«
    »Aber Ma«, lache ich. »Der geht doch nicht in Geschäfte. Geschäfte sind doch bloß Fernseher.«
    Sie beißt sich auf

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