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Raum

Raum

Titel: Raum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emma Donoghue
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die Lippen. Dann guckt sie den Kuchen an. »Na ja, jedenfalls tut es mir leid. Ich dachte, die Schokolädchen wären ein guter Ersatz.«
    »Dumme Ma.«
    »Ich Dummie.« Sie schlägt sich auf die Stirn.
    »Schafskopf«, sage ich, aber nicht gemein. »Wenn ich nächste Woche sechs werde, besorgst du mal besser Kerzen.«
    »Nächstes Jahr«, sagt Ma. »Du meintest nächstes Jahr.« Ihre Augen sind zu. Das machen sie manchmal immer, und dann sagt sie eine Zeit lang nichts. Als ich klein war, dachte ich noch, ihre Batterie ist alle, so wie es einmal bei Uhr passiert ist, für den mussten wir da als Sonntagsgutti auch nach einer neuen Batterie fragen.
    »Versprochen?«
    »Versprochen«, sagt sie und macht die Augen wieder auf.
    Sie schneidet mir ein gigantisches Stück ab, und ich klaue alle fünf auf meins, als sie nicht hinguckt, die zwei roten, das in rosa, das grüne und das blaue. Und sie sagt: »Oh nein, schon wieder ist eins gestohlen, wie konnte das denn passieren?«
    »Jetzt findest du sie nicht mehr, hahaha«, sage ich so wie Swiper, wenn er etwas von Dora stiehlt. Ich nehme eins von den roten und schwebe es in Mas Mund. Sie schiebt es an die vorderen Zähne, die weniger verfault sind, und knabbert lächelnd darauf herum.
    »Guck mal.« Ich zeige es ihr. »Da ist ein Loch im Kuchen, wo bis gerade eben die Schokolädchen lagen.«
    »Wie Krater«, sagt sie.
    »Was sind Krater?«
    »Löcher, wenn irgendwo etwas passiert ist. Ein Vulkan oder eine Explosion oder so etwas.«
    Ich lege das grüne Schokolädchen zurück in seinen Krater und mache zehn, neun, acht, sieben, sechs, fünf, vier, drei, zwei, eins, bumm. Es fliegt hoch ins Weltall und von da zurück in meinen Mund. Mein Geburtstagskuchen ist das Beste, was ich jemals gegessen habe.
    Ma hat im Moment keinen besonderen Appetit darauf. Der Oberlicht zieht das ganze Helle raus, er ist fast schwarz. »Heute ist die Tagundnachtgleiche«, sagt Ma. »Ich kann mich noch erinnern. An dem Morgen, als du geboren wurdest, haben sie das auch im Fernsehen angekündigt.«
    »Was ist Tagundnachtgleiche?«
    »Das heißt, dass es gleich viel Licht und Dunkel gibt.«
    Für Fernseher ist es schon zu spät, wegen dem Kuchen. Auf Uhr steht 08:35. Mein gelber Kapuzenpulli reißt mir fast den Kopf ab, als Ma ihn hochzieht. Ich ziehe mein Schlaf-T-Shirt an und putze mir die Zähne. Ma bindet inzwischen den Beutel aus Müll zu und stellt ihn neben Türe, zusammen mit unserer Liste, die ich geschrieben habe und auf der steht: Bitte Nudeln, Linsen, Thunfisch, Käse (wenn nicht zu $), O-Saft, danke.
    »Können wir nach Trauben fragen? Die sind doch gut für uns.«
    Ma schreibt unter alles andere: Trauben wenn mögl. (oder irgendwelches Obst, frisch oder in der Dose) .
    »Erzählst du mir eine Geschichte?«
    »Aber nur eine kurze. Wie wäre es mit … Jack, dem dicken fetten Pfannkuchen?«
    Sie erzählt ganz schnell und lustig. Der dicke fette Pfannkuchen Jack springt aus dem Ofen und läuft und rollt und rollt und läuft, und niemand kann ihn fangen. Nicht die Miezekatze und nicht die Gans und nicht die Kuh-Muhkuh und nicht die Kinder. Aber am Ende ist er dumm und lässt sich vom Schwein über den Fluss tragen, und das frisst ihn auf.
    Wenn ich ein Kuchen wäre, dann würde ich mich selbst aufessen, bevor ein anderer es könnte. Wir machen ein kurzes Gebet, das heißt, Hände zusammentun und Augen zu. Ich bete dafür, dass Johannes der Täufer und das Jesuskind mal mit Dora und Boots zum Spielen vorbeikommen. Ma betet für Sonnenschein, damit der den Schnee von Oberlicht schmilzt.
    »Kann ich noch was kriegen?«
    »Gleich morgen früh«, sagt Ma und zieht ihr T-Shirt wieder runter.
    »Nein, heute Abend.«
    Sie zeigt auf Uhr und da steht 08:57, nur noch drei Minuten bis neun. Deshalb husche ich in Schrank und lege mich auf mein Kissen und kuschel mich in Mummeldecke, die ist grau und ganz weich und hat einen roten Rand. Ich bin genau unter dem Bild von mir, daran hatte ich gar nicht mehr gedacht. Ma steckt ihren Kopf rein.
    »Drei Küsse?«
    »Nein, fünf für Freund Fünf.«
    Sie gibt mir fünf, dann quietscht sie die Tür zu.
    Durch die Ritzen kommt immer noch Licht, deshalb kann ich ein bisschen von mir auf dem Bild sehen. Ich streichle das Papier, es ist ganz glatt. Ich mache mich so lang, dass mein Kopf gegen Schrank drückt und meine Füße auch. Ma zieht ihr Schlaf-T-Shirt an und nimmt die Scherztabletten. Abends immer zwei, weil Aua wie Wasser ist, sagt sie, sobald sie sich

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