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Raum

Raum

Titel: Raum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emma Donoghue
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hinlegt, läuft es auseinander. Sie spuckt Zahnpasta. »Unser Freund Jack mag gern Gebäck«, sagt sie.
    Ich überlege mir auch eins. »Unser Freund Zah redet Blabla.«
    »Unser Freund Jeremia ruft laut Mamma mia.«
    »Unser Freund Otto isst gerne Spaghetto.«
    »Reim dich oder ich fress dich«, sagt Ma.
    »Ach, Mensch«, maule ich wie Swiper immer. »Unser Freund, das Jesuskind, … spielt am liebsten Labyrinth.«
    »Unser Freund Oberlicht schaut dem Mond in sein Gesicht.«
    Der Mond ist das silberne Gesicht von Gott und kommt nur bei besonderen Anlässen raus.
    Ich setze mich auf und tue mein Gesicht an die Ritzen. Ich kann ein paar Scheiben von Fernseher sehen, er ist aus, dann von Klo, von meinem kringeligen blauen Tintenfisch und wie Ma unsere Sachen wieder in Kommode tut. »Ma?«
    »Mmm?«
    »Warum werde ich versteckt so wie die Schokolädchen?«
    Ich glaube, sie sitzt jetzt auf Bett. Sie spricht leise, deshalb kann ich kaum was hören. »Ich will einfach nur nicht, dass er dich sieht. Schon als du noch ein Baby warst, habe ich dich immer in die Mummeldecke gewickelt, bevor er hereinkam.«
    »Würde es Aua machen?«
    »Würde was Aua machen?«
    »Wenn er mich sehen täte?«
    »Aber nein. Jetzt schlaf ein«, sagt Ma.
    »Sag noch mal das mit den Läusen.«
    »Machst du schnell die Äuglein zu, geben alle Läuse Ruh.«
    Die Läuse sind unsichtbar, aber ich spreche mit ihnen, und manchmal zähle ich sie, beim letzten Mal bin ich bis 347 gekommen. Ich höre, wie der Schalter schaltet, und in derselben Sekunde geht Lampe aus. Dann das Geräusch, wie Ma unter Zudeck kriecht.
    Ein paarmal habe ich Old Nick nachts durch die Ritzen gesehen, aber nie ganz und von richtig nah. Bei seinen Haaren ist ein bisschen Weiß dabei, und sie sind kürzer als seine Ohren. Vielleicht würden seine Ohren mich ja in Stein verwandeln. Zombies beißen kleine Kinder und machen sie untot, Vampire saugen sie aus, bis sie ganz labberig sind, und Ungeheuer lassen sie an den Beinen baumeln und fressen sie auf. Riesen können auch ganz schön böse sein, ich rieche Menschenfleisch, aber Jack ist mit der goldenen Henne weggelaufen, und dann ist er den Bohnenstängel runtergerutscht, schnell, schnell. Der Riese ist hinter ihm runtergeklettert, und Jack hat seiner Ma zugerufen, sie soll die Axt holen, das ist so was wie unsere Messer, nur größer. Aber seine Ma hatte zu viel Angst, den Bohnenstängel allein abzuhauen, deshalb haben sie es zusammen gemacht, und da ist der Riese auf der Erde zermanscht, und seine ganzen Innereien sind rausgequatscht, haha. Und danach war Jack der Riesentöter Jack.
    Ich frage mich, ob Ma schon ausgeschaltet ist.
    In Schrank versuche ich immer, meine Augen ganz fest zuzumachen und schnell auszuschalten, damit ich nicht höre, wenn Old Nick kommt. Dann wache ich am Morgen auf und liege mit Ma im Bett und kriege was, und alles ist okay. Aber heute Abend bin ich noch an, der Kuchen sprudelt in meinem Bäuchlein. Mit der Zunge zähle ich meine oberen Zähne von rechts nach links bis zehn und dann meine unteren Zähne von links nach rechts und dann noch mal in die andere Richtung. Jedes Mal muss ich bis zehn kommen, und zweimal zehn ist zwanzig, so viele habe ich.
    Es kommt kein piep piep piep , dabei muss es schon lange nach neun sein. Ich zähle meine Zähne noch mal und kriege neunzehn raus, irgendwas muss ich falsch gemacht haben oder einer ist verschwunden. Ich kaue an meinem Finger, nur ein kleines bisschen und dann noch ein bisschen. Ich warte stundenlang. »Ma?«, flüstere ich. »Kommt er nicht, oder doch?«
    »Sieht nicht so aus. Komm rein.«
    Ich springe hoch und schiebe Schrank auf. In zwei Sekunden bin ich in Bett. Unter Zudeck ist es unheimlich heiß, ich muss meine Füße raushalten, damit sie nicht verbrennen. Ich kriege eine Menge, erst links und dann rechts. Ich will nicht am Schlafen sein, weil dann ist nicht mehr mein Geburtstag.
     
     
     
    Licht blitzt mich an, es sticht in meinen Augen. Ich gucke aus Zudeck raus, aber nur blinzelig. Ma steht neben Lampe und alles ist hell, dann zack wieder dunkel. Dann wieder Licht, sie lässt es drei Sekunden an, dann wieder dunkel. Dann nur eine Sekunde hell. Ma starrt hinauf zu Oberlicht. Jetzt wieder dunkel.
    Ich warte, bis der Lampe richtig aus ist, dann flüstere ich: »Fertig?«
    »Tut mir leid, dass ich dich aufgeweckt habe«, sagt sie.
    »Macht nichts.«
    Sie kommt wieder in Bett, sie ist kälterer als ich. Ich lege meine Arme um ihre

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