Raum
sitzt vorne mit drin, und von hinten sieht sie anders aus. Sie dreht sich um und lächelt mich an und sagt: »Hier ist das Revier.«
»Kannst du allein rausklettern?«, fragt Ma. »Sonst trage ich dich.« Sie macht das Auto auf, und kalte Luft springt rein. Ich mache mich ganz klein. Sie zerrt an mir, bis ich mich hinstelle und mir dabei das Ohr am Auto stoße. Dann läuft sie los und trägt mich dabei auf der Hüfte, ich klammere mich an ihren Schultern fest. Es ist dunkel, aber dann sind da plötzlich Lichter, wie Feuerwerk.
»Die Geier«, sagt Officer Oh.
Wo?
»Keine Bilder«, schreit der Polizeimann.
Was für Bilder? Ich sehe keine Geier. Ich sehe nur Personengesichter mit blitzenden Geräten und dicken schwarzen Stöcken. Sie schreien, aber ich kann nichts verstehen. Officer Oh versucht, mir die Decke über den Kopf zu machen, ich ziehe sie wieder runter. Ma rennt. Ich zittere überall, wir sind in einem Gebäude, und es ist tausend Prozent hell, deshalb halte ich mir die Hände vor die Augen.
Der Boden ist ganz glänzend und hart, nicht wie unser Boden, die Wände sind blau, und es gibt viel mehr davon, und es ist zu laut. Überall sind Personen, alles keine Freunde von mir. Da ist ein Ding wie ein Raumschiff, ganz hell und mit lauter Sachen in kleinen Vierecken, die aussehen wie Chipstüten und Schokoriegel. Ich gehe gucken und will sie anfassen, aber sie sind in dem Glas eingesperrt. Ma zieht an meiner Hand.
»Hier entlang«, sagt Officer Oh. »Nein, gleich hier rein …«
Wir sind in einem Raum, wo es leiser ist. Ein riesiger, ganz breiter Mann sagt: »Ich entschuldige mich ausdrücklich für den Aufmarsch der Presse. Dabei hatten wir schon unsere Telefonanlage aufgerüstet, aber diese Kerle haben neuerdings solche Tracking-Scanner …« Er streckt die Hand aus. Ma stellt mich auf die Beine und macht dann seine Hand rauf und runter wie Personen im Fernseher.
»Und du, junger Mann, wie ich höre, bist du ja ein ganz besonders tapferes Kerlchen gewesen.«
Er guckt mich an, dabei kennt er mich gar nicht, und warum sagt er, dass ich ein Mann bin? Ma setzt sich in einen Stuhl, es ist aber keiner von unseren, dann lässt sie mich auf ihren Schoß. Ich versuche zu schaukeln, aber Stuhlschaukel gibt es nicht. Nichts stimmt.
»Also«, sagt der breite Mann, »ich weiß, dass es schon spät ist und Ihr Sohn ein paar Schürfwunden hat, die versorgt werden müssen. In der Cumberland-Klinik stehen für Sie auch schon alle Gewehr bei Fuß, es ist eine sehr nette Einrichtung.«
»Was für eine Einrichtung?«
»Ähm, eine psychiatrische.«
»Wir sind doch nicht …«
Er platzt dazwischen. »Dort wird man in der Lage sein, sich angemessen um Sie zu kümmern, mit aller gebotenen Diskretion. Vordringlich ist jedoch, dass ich mit Ihnen noch heute Abend Ihre Aussage etwas eingehender durchgehe, sofern Sie dazu in der Lage sind.«
Ma nickt.
»Bestimmte Aspekte meiner Fragen könnten möglicherweise auch peinlich sein. Würden Sie es daher vorziehen, wenn Officer Oh bei der Befragung zugegen ist?«
»Ist mir gleich … nein«, sagt Ma, sie gähnt.
»Ihr Sohn hat heute Abend eine Menge durchgemacht. Vielleicht sollte er lieber draußen warten, während wir, ähm …«
Aber wir sind doch schon im Draußen.
»Das geht schon in Ordnung«, sagt Ma und legt die blaue Decke um mich. »Machen Sie nicht die Tür zu«, ruft sie noch schnell, als Officer Oh rausgeht.
»Natürlich«, sagt Officer Oh, sie lässt die Tür halb offen.
Ma spricht mit dem riesigen Mann, er sagt einen von ihren anderen Namen zu ihr. Ich gucke mir die Wände an, sie haben sich in was Sahniges verwandelt, so als hätten sie überhaupt keine Farbe. Es gibt Rahmen mit lauter Wörtern drin, eins ist mit einem Adler, der sagt: Der Himmel ist nicht die Grenze. Jemand geht an der Tür vorbei, ich zucke zusammen. Ich wünschte, die Tür wäre zu. Ich will unbedingt was kriegen.
Ma zieht ihr T-Shirt wieder bis zu ihrer Hose runter. »Jetzt geht es gerade nicht«, flüstert sie. »Ich spreche doch mit dem Captain.«
»Und wann kam es zu dem Vorfall … können Sie sich noch an ein ungefähres Datum erinnern?«, fragt er.
Sie schüttelt den Kopf. »Irgendwann Ende Januar. Ich war erst seit ein paar Wochen wieder an der Uni …«
Ich habe immer noch Durst. Ich hebe wieder ihr T-Shirt hoch. Diesmal pustet sie nur die Luft aus den Backen und lässt mich, sie versteckt mich an ihrer Brust.
»Wäre es Ihnen, ähm … lieber … ?«, fragt der
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